Deutsch-Französischer Informationsbrief | November 2022
In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche wie steuerrechtliche Entwicklungen in Frankreich informieren. Die deutsch-französischen Anwälte von GGV, die die verschiedenen Beiträge zu diese Brief verfasst haben, sind alle in der Beratung von Unternehmen in ihren grenzüberschreitenden Fragen spezialisiert.
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News Frankreich
- E-COMMERCE - E-Commerce und Verbraucherschutz: Erleichterte Kündigung für Verbraucher von im Fernabsatz geschlossenen Verträgen
- HANDELSRECHT - KURZMELDUNG – Plötzlich und unerwarteter Abbruch etablierter Geschäftsbeziehungen
- HANDELSRECHT - KURZMEDLUNG - Verfassungsmäßigkeit der Auslistung einer digitalen Plattform, die von der Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung angeordnet wurde
- HANDELSRECHT - KURZMELDUNG – E-Mobilität: Klarstellungen zum Anschluss der Ladeinfrastruktur für E-Autos in Mehrfamilienhäusern an das öffentliche Stromnetz
- HANDELSRECHT - KURZMELDUNG - Informationspflicht des Verbrauchers über Gewährleistungsrechte und Garantien: Seit dem 1. Oktober 2022 gelten neue Bestimmungen
- CORPORATE - Vereinbarung über ein Gesellschafterdarlehen und gerichtliches Geschäftsführungsgutachten
- CORPORATE - Eine juristische Person darf in ihrer Funktion als Präsidentin beleidigt sein
- RECHTSSTREIT - Die EU-Verordnung Nr. 2020/1784 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen ist in Kraft getreten
- STEUERRECHT - Entwurf zum Haushaltsgesetz 2023: Wichtige Maßnahmen für Unternehmen
- IMMOBILIEN- UND UMWELTRECHT - Instandsetzungslast eines Grundstücks mit umweltrelevanter Industrieanlage auf Kosten des Erwerbers bei nachträglicher Nutzungsänderung
- IMMOBILIEN- UND BAURECHT – Die Klage des Bauherrn gegen den Bauunternehmer auf Gewährleistung bei versteckten Mängeln ist Fristbeginn für den Rückgriff des Bauunternehmers gegen den Hersteller
- IMMOBILIEN- UND UMWELTRECHT - Das Recht in einer ausgewogenen und gesundheitsverträglichen Umwelt zu leben ist nun vom Obersten Verwaltungsgerichtshof als Grundrecht anerkannt
- DATENSCHUTZ – Fokus auf die Geolokalisierung von Fahrzeugen
- DATENSCHUTZ - Verurteilung von zwei Unternehmen wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Rahmen von kommerzieller Werbung
- ARBEITSRECHT - Über Maßnahmen zur Stützung der Kaufkraft, die für Unternehmen und ihre Beschäftigten relevant sind
- ARBEITSRECHT – KURZMELDUNG – Pflicht zur Aktualisierung der Betriebsordnung, um auf das Bestehen des Schutzes von Hinweisgebern zu erinnern
- COMPLIANCE – KURZMELDUNG – Veröffentlichungen und Empfehlungen des BAFA, der für die Überwachung der Anwendung des deutschen Sorgfaltspflichtgesetzes zuständigen Behörde
- COMPLIANCE – KURZMELDUNG – Hinweisgeber: Die Durchführungsverordnung ist erschienen
News Frankreich
E-COMMERCE - E-Commerce und Verbraucherschutz: Erleichterte Kündigung für Verbraucher von im Fernabsatz geschlossenen Verträgen
Das Gesetz über Sofortmaßnahmen zum Schutz der Kaufkraft (Loi portant mesures d’urgence pour la protection du pouvoir d’achat) Nr. 2022-1158 vom 16.08.2022 sieht neue Verpflichtungen für Verkäufer im Online-Geschäft vor. Diese treten neben solche, die schon im Laufe des letzten Jahres in Kraft getreten sind:
Am 03.08.2022 hat der französische Gesetzgeber das sogenannte Kaufkraftgesetz („Loi portant mesures d’urgence pour la protection du pouvoir d’achat“) verabschiedet. Dieses Gesetz enthält Bestimmungen zur Stärkung des Verbraucherschutzes, wie die Verpflichtung für Verkäufer im Online-Geschäft, Kunden, die Verbraucher sind, eine Möglichkeit zu bieten, Verträge auf elektronischem Wege zu kündigen: Das Gesetz führt einen neuen Artikel L. 215-1-1 in das Verbrauchergesetzbuch ein, der ab dem 01.06.2023 gelten wird. Dieser sieht vor, dass Verbraucher die Möglichkeit haben müssen, auf elektronischem Wege zu kündigen, wenn der Vertrag auf elektronischem Wege geschlossen wurde oder wenn der Unternehmer Verbrauchern am Tag der Kündigung generell die Möglichkeit bietet, Verträge auf elektronischem Wege abzuschließen. Der neue Text verpflichtet den Unternehmer – unter Androhung eines Bußgeldes von bis zu 75.000 Euro – eine kostenlose Kündigungsschaltfläche zur Verfügung zu stellen, die es dem Verbraucher ermöglicht, die Kündigung des Vertrags zu erklären und ihn durch die weiteren hierzu notwendigen Schritte zu führen. Nach der Kündigungserklärung muss der Unternehmer den Erhalt bestätigen und dem Verbraucher das Datum des Vertragsendes, sowie die Auswirkungen der Kündigung mitteilen.
Ein Dekret wird die technischen Modalitäten für die Identifizierung des Verbrauchers und einen einfachen, direkten und dauerhaften Zugang des Verbrauchers zu dieser erleichterten Kündigungsmöglichkeit festlegen.
Die gleiche Verpflichtung wird für Versicherer (Artikel L. 113-14 des Versicherungsgesetzes), Vorsorgeeinrichtungen (Artikel L. 932-12-2 des Sozialversicherungsgesetzes) und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (Artikel L. 221-10-3 des Gesetzes über auf Gegenseitigkeit beruhende Einrichtungen) gelten.
Dieser Gesetzestext ist an das deutsche Gesetz für faire Verbraucherverträge vom 10. August 2021 angelehnt, das in § 312k BGB kodifiziert ist und Unternehmer, die Online-Dienste anbieten, dazu verpflichtet, Verbrauchern eine für die Kündigung vorgesehene Schaltfläche zur Verfügung zu stellen.
Das Verbrauchergesetzbuch wurde seit Beginn dieses Jahres bereits mehrfach geändert. So unterliegen Unternehmer gemäß der Verordnung Nr. 2021-1247 vom 29.09.2021 seit dem 01.01.2022 einer verstärkten Informationspflicht, die sich insbesondere auf die wesentlichen Merkmale von Produkten und Dienstleistungen, einschließlich digitaler Inhalte und Dienstleistungen, bezieht (Artikel L. 111-1 des Verbrauchergesetzbuchs).
Durch die Bestimmungen der Verordnung Nr. 2021-1734 vom 22.12.2021 zur Umsetzung der sogenannten Omnibus-Richtlinie (EU) 2019/2161 in französisches Recht (in Kraft getreten am 28.05.2022), wurde der Verbraucherschutz bereits gestärkt und die bestehenden Regeln angepasst (siehe hierzu unseren Deutsch-französischen Informationsbrief vom Juli 2022 ).
HANDELSRECHT - KURZMELDUNG – Plötzlich und unerwarteter Abbruch etablierter Geschäftsbeziehungen
Der französische Kassationshof erklärt, unter welchen Voraussetzungen das an der Spitze eines Vertriebsnetzes stehende Unternehmen haftbar gemacht werden kann.
Cass. com. 22. Juni 2022, Nr. 21-14.230
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Kann ein Unternehmen an der Spitze eines Vertriebsnetzes für den plötzlichen und unerwarteten Abbruch etablierter Geschäftsbeziehungen einer seiner Mitglieder haftbar gemacht werden?
Der französische Kassationshof bejaht diese Frage, unter die Voraussetzung, dass die Mitglieder des Netzwerks keine selbständige Entscheidungsfreiheit bezüglich der Auswahl der Lieferanten und der Fortführung der Geschäftsbeziehung haben.
In dieser Rechtssache war das Unternehmen Esnault, ein Obst- und Gemüselieferant für mehrere Geschäfte der Marke Leader Price, von 43 Geschäften ausgelistet worden. Diese Geschäfte waren entweder direkt von Leader Price Exploitation (LPE) oder von unabhängigen Dritten (Händlern) betrieben worden.
Die Firma Esnault bzw. ihr Insolvenzverwalter waren der Ansicht, dass der Abbruch der Geschäftsbeziehung plötzlich und unerwartet erfolgte. Sie verklagten daher nur LPE als an der Spitze des Vertriebsnetzes stehendes Unternehmen, auf welches die Auslistung zurückgeht, auf der Grundlage von Artikel L. 442-6, I, 5° [jetzt L. 442-1 II] des französischen Handelsgesetzbuchs.
Das Berufungsgericht Paris wies ihre Klage ab. Das Gericht führte aus, dass die Firma LPE nicht allein im Namen der Mitgliedsunternehmen des Netzwerks haftbar gemacht werden könne, weil sie über eine eigene Rechtspersönlichkeit verfügt. Der Kassationshof hob dieses Urteil auf. Er urteilte, dass das Gericht zu prüfen hat, ob die Mitgliedsunternehmen des Netzwerks selbständig über die Auswahl der Lieferanten und die Fortführung der Geschäftsbeziehung entscheiden können.
Bisher konnten in dieser Hinsicht nur Unternehmen, die als Spitze eines Vertriebsnetzes fungierten, haftbar gemacht werden, wenn sie 100 % der Anteile an ihren Tochtergesellschaften hielten. Dieses Urteil erweitert die Kriterien für eine Haftung von Unternehmen, die an der Spitze von Vertriebsnetzen stehen. Diese Unternehmen müssen also hinsichtlich der Umstände, unter denen sie Lieferanten auslisten, Vorsicht walten lassen.
Haben Sie eine Frage? GGV begleitet Sie während der gesamten Dauer Ihrer Geschäftsbeziehungen.
HANDELSRECHT - KURZMEDLUNG - Verfassungsmäßigkeit der Auslistung einer digitalen Plattform, die von der Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung angeordnet wurde
Ist die Auslistung einer digitalen Plattform, die von der französische Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung („DGCCRF“) angeordnet wurde, verfassungskonform? Der Oberste Verwaltungsgerichtshof („Conseil d’Etat“) hat diese Frage kürzlich dem Verfassungsrat („Conseil constitutionnel“) im Rahmen einer sog. Vorrangigen Vorlage zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit („QPC“) vorgelegt .
Oberster Verwaltungsgerichtshof, 22. Juli 2022, Nr. 2022-1016 QPC
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Gemäß Artikel L. 521-3-1 2° a) des französischen Verbraucherschutzgesetzes kann die französische DGCCRF eine Auslistung der digitalen Plattform anordnen, wenn diese bei ihren Transaktionen den Grundsatz der Redlichkeit oder Verbraucherinteressen schwerwiegend verletzen.
So hat die DGCCRF im Fall von ContextLogic Inc., dem Betreiber der E-Commerce-Plattform Wish, festgestellt, dass die Plattform nicht ordnungsgemäße Produkte vermarktet (95 % der dort angebotenen Spielzeuge waren nicht ordnungsgemäß, und 45 % sogar gefährlich) und keinen Rückruf ihrer Produkte durchführte. Die DGCCRF hat Wish daher am 15.07.2021 aufgefordert, die geltenden Konformitätsbestimmungen zu beachten.
Dieser Anordnung kam das Unternehmen jedoch nicht nach. Am 16.11.2022 stellte die DGCCRF fest, dass die Verbraucherinteressen schwerwiegend verletzt wurden. Folglich hat die DGCCRF Apple, Google, Qwant und Microsoft gemäß Artikel L. 521-3-1 2° a) des französischen Verbraucherschutzgesetzes dazu aufgefordert, die Plattform Wish auszulisten.
Das Unternehmen ContextLogic Inc. hat diese Maßnahme daraufhin vor dem Staatsrat angefochten und eine Vorrangigen Vorlage zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit beantragt. Nach der Ansicht von ContextLogic Inc. schränkt Artikel L. 521-3-1 2° a) des französischen Verbraucherschutzgesetzes die unternehmerische Freiheit sowie die Meinungs- und Kommunikationsfreiheit übermäßig ein.
In seine Entscheidung vom 22.07.2022 kam der Oberste Verwaltungsgerichtshof zu der Einschätzung, dass der Antrag von ContextLogic Inc. hinsichtlich der Vorrangigen Vorlage zur Klärung der Verfassungsmäßigkeit hinreichend substantiell ist, um sie dem Verfassungsrat vorzulegen. Der Verfassungsrat muss nunmehr zu der Frage Stellung nehmen, ob die DGCCRF weiterhin eine Auslistung der Plattform als Sanktion anordnen kann.
HANDELSRECHT - KURZMELDUNG – E-Mobilität: Klarstellungen zum Anschluss der Ladeinfrastruktur für E-Autos in Mehrfamilienhäusern an das öffentliche Stromnetz
Zwei neue Verordnungen präzisieren den Inhalt von Verträgen über die kollektive Infrastruktur für Ladepunkte in Mehrfamilienhäusern.
Das Gesetz Nr. 2021-1104 vom 22. August 2021 zur Bekämpfung des Klimawandels und dessen Auswirkungen führte Bestimmungen ein, die den Anschluss der kollektiven Infrastruktur in Mehrfamilienhäusern (Allein- oder Miteigentum) erleichtern sollen, die für das Aufladen von Elektrofahrzeugen erforderlich ist.
Die Einrichtung einer solchen, an das öffentliche Stromnetz angeschlossenen kollektive Infrastruktur ist eine notwendige Voraussetzung für die spätere Einrichtung von Ladepunkten an den einzelnen Stellplätzen.
Im Rahmen der durch das Gesetz Nr. 2021-1104 eingeführten Bestimmungen obliegt es dem Netzbetreiber oder einem (in der Regel privaten) Ladeinfrastrukturbetreiber, die für die einzelnen Ladestationen notwendige kollektive Infrastruktur vorzufinanzieren. Die Kosten für die kollektive Infrastruktur werden dann über einen Zusatzbeitrag nur von denjenigen Nutzern getragen, die den Anschluss an die kollektive Infrastruktur beantragt haben, um einen Ladepunkt nutzen zu können.
Die Durchführungsverordnung Nr. 2022-959 vom 29. Juni 2022 legt die Modalitäten für die Errichtung der für die einzelnen Ladepunkte erforderlichen kollektiven Infrastruktur durch einen Betreiber fest, insbesondere den Inhalt des Vertrags, der mit einem Alleineigentümer bzw. einer Eigentümergemeinschaft geschlossen wird. Vor Erstellung des Vertrags ist eine technische Diagnose durchzuführen.
Der Vertrag muss einerseits die wesentlichen Vertragsbestandteile zwischen dem Betreiber und dem Allein- bzw. Miteigentümer enthalten und andererseits die allgemeinen Bedingungen für die vertraglichen Beziehungen zwischen dem Betreiber und den zukünftigen Nutzern der an die kollektive Infrastruktur angeschlossenen Ladepunkte. Der Betreiber haftet für alle Schäden, die durch die Arbeiten oder durch seine Anlagen und Geräte verursacht werden, und muss gegen mögliche Sach- oder Personenschäden versichert sein.
Die Durchführungsverordnung Nr. 2022-1249 vom 21. September 2022 legt die Modalitäten für die Errichtung der kollektiven Infrastruktur durch den Betreiber des öffentlichen Stromnetzes fest, einschließlich des Inhalts des Anschlussvertrags und der Modalitäten für die Festlegung des Beitrags für die kollektive Infrastruktur.
Um diesen Vertrag abschließen zu können, müssen die künftigen E-Mobilisten vorher einen Anschluss für individuelle Ladepunkte beantragt haben, und es muss mindestens ein Kostenvoranschlag von einem anderen Betreiber eingeholt worden sein.
Die oben genannten Verordnungen haben somit Auswirkungen sowohl auf Alleineigentümer von Mehrfamilienhäusern bzw. Eigentümergemeinschaften als auch auf die Ladeinfrastrukturbetreiber.
HANDELSRECHT - KURZMELDUNG - Informationspflicht des Verbrauchers über Gewährleistungsrechte und Garantien: Seit dem 1. Oktober 2022 gelten neue Bestimmungen
Das Dekret Nr. 2022-946 vom 29. Juni 2022 führt in Anwendung der Verordnung Nr. 2021-1247 vom 29. September 2021 neue Informationspflichten gegenüber Verbrauchern ein, u. a. über gesetzliche Gewährleistungsrechte sowie vertraglich vereinbarte Garantien. Diese traten am 1. Oktober 2022 in Kraft.
Das Dekret präzisiert die Pflichtangaben in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf von Waren, die Lieferung digitaler Inhalte oder die Erbringung digitaler Dienstleistungen müssen nunmehr einen Kasten mit der Darstellung der geltenden gesetzlichen Gewährleistungsrechte nach der sich in der Anlage zu den Artikeln D. 211-2, D. 211-3 und D. 211-4 des Verbrauchergesetzbuchs befindlichen Mustern enthalten. Garantieverträge, die im Zusammenhang mit dem Verkauf von Waren oder der Lieferung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen abgeschlossen werden, müssen ebenfalls einen solchen Kasten über die geltenden gesetzlichen Garantien enthalten.
Die Kästen können direkt in der Anlage des Dekrets aufgerufen werden.
Die (bereits bestehende) Pflicht zur Information der Verbraucher über das Bestehen und die Modalitäten der verschiedenen gesetzlichen Gewährleistungen, der vertraglich gewährten Garantie und des Kundenservices wird auf die Information über die gesetzliche Gewährleistung für digitale Inhalte und Dienstleistungen ausgeweitet. Die Begriffe „garantie légale“ [gesetzliche Gewährleistung] und „garantie commerciale“ [(kommerzielle) Garantie] sind zukünftig für die entsprechenden Sachverhalte zu verwenden.
Schließlich muss der Unternehmer den Verbraucher unter anderem über die praktischen Modalitäten für die Rücksendung der Ware informieren, wenn die Erfüllung des Gewährleistungsanspruchs nicht an dem Ort, an dem sich die Ware befindet, erfolgen kann.
Anbietern von Waren und digitalen Inhalten und Dienstleistungen wird daher empfohlen, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen und sonstigen Prozesse auf die neuesten geltenden Bestimmungen zu überprüfen.
CORPORATE - Vereinbarung über ein Gesellschafterdarlehen und gerichtliches Geschäftsführungsgutachten
Eine Vereinbarung über ein Gesellschafterdarlehen ist eine zustimmungsbedürftige Geschäftsführungsmaßnahme, die Gegenstand eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens sein kann.
In einem Urteil vom 21. April 2022 (Nr. 20-11.850) hat die Kammer für Handelssachen des Kassationshofs zum ersten Mal ein Gesellschafterdarlehen als zustimmungspflichtige Geschäftsführungsmaßnahme qualifiziert. Demnach muss jede Vereinbarung über den Abschluss eines Gesellschafterdarlehens von der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung genehmigt werden und kann Gegenstand eines durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen erstellten Geschäftsführungsgutachtens sein. Dies gilt auch dann, wenn die betreffende Vereinbarung zu normalen Bedingungen abgeschlossen wurde.
Im vorliegenden Fall verklagte ein Gesellschafter einer société à responsabilité limitée (SARL), der der Gesellschaft durch Bereitstellung eines Gesellschafterdarlehens Mittel zur Verfügung gestellt hatte, die Gesellschaft im Wege einer einstweiligen Verfügung und beantragte bei Gericht die Anordnung eines Geschäftsführungsgutachtens, die Übermittlung des Jahresabschlusses sowie bestimmter, die Geschäftsführung betreffender Dokumente. In Anbetracht seiner Investition und der Tatsache, dass die Gesellschaft keine Bücher führte, der Geschäftsführer keine Gesellschafterversammlungen einberief und auf Anfragen der Gesellschafter nicht reagierte, gab das Berufungsgericht Bordeaux dem Antrag statt und stellte fest, dass die Sorge des Gesellschafters über das Schicksal seiner der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Mittel nicht unbegründet ist.
Das Berufungsgericht Bordeaux gab diesem Antrag statt, woraufhin die Gesellschaft und ihr Geschäftsführer eine Kassationsbeschwerde mit der Begründung einlegten, dass der Abschluss einer Vereinbarung über ein Gesellschafterdarlehen keine Geschäftsführungsmaßnahme darstelle.
Der Kassationshof wies die Kassationsbeschwerde zurück und stellte zum ersten Mal fest, dass es sich bei einem Gesellschafterdarlehen sehr wohl um ein zustimmungspflichtiges Geschäft handelt, ohne darauf einzugehen, ob geprüft werden muss, ob die betreffende Vereinbarung zu normalen Bedingungen geschlossen worden ist.
Bisher war die einzige Klarstellung zu dieser Problematik eine ministerielle Stellungnahme aus dem Jahr 1981 (Rep. min., Nr. 37140, JOAN März 1981, S. 1028), nach der Vereinbarungen über den Abschluss von Gesellschafterdarlehen nur dann zustimmungspflichtig sind, wenn die vom Gesellschafter zur Verfügung gestellten Mittel verzinst werden. Dieser Lösung wurde wohl auch von der Rechtsprechung verfolgt (Cass. com., 29. März 1994, Nr. 92-13.584).
In seinem jüngsten Urteil geht der Kassationshof daher im Hinblick auf zustimmungsbedürftige Geschäftsführungsmaßnahmen weiter.
Somit wäre jedes Gesellschafterdarlehen zustimmungspflichtig im Sinne von Artikel L. 223-19 des französischen Handelsgesetzbuchs[1] und würde darüber hinaus eine Geschäftsführungsmaßnahme gemäß Artikel L. 223-37 desselben Gesetzbuchs darstellen, die somit Gegenstand eines Sachverständigengutachtens über die Geschäftsführung sein kann.
Denn unabhängig davon, zu welchen Bedingungen das Gesellschafterdarlehen abgeschlossen wird, handelt es sich in jedem Fall um einen Darlehensvertrag, der eine Rückzahlungsverpflichtung zu Lasten der Gesellschaft entstehen lässt.
Der Abschluss von Gesellschafterdarlehen steht somit unter dem Zustimmungsvorbehalt der Gesellschafter- bzw. Hauptversammlung, da diese Art von Vereinbarungen zwar üblich ist, aber selten ein gewöhnliches Geschäft darstellt. „Gewöhnliche Geschäfte“ werden von den französischen Gerichten als Geschäfte definiert, die von der Gesellschaft üblicherweise im Rahmen ihrer Tätigkeit abgeschlossen werden und denjenigen ähneln, die sie bereits in der Vergangenheit durchgeführt hat (Cass. com., 21. April 1977, 75-12.918).
Gemäß den Artikeln L. 223-37, L. 225-231 und L. 227-1 des französischen Handelsgesetzbuchs ist ein gerichtlicher Antrag auf Bestellung eines Sachverständigen zur Anfertigung eines Gutachtens über eine oder mehrere Geschäftsführungsmaßnahmen in französischen Aktiengesellschaften (SA) bzw. vereinfachten Aktiengesellschaften (SAS) sowie in Gesellschaften mit beschränkter Haftung (SARL) möglich. Für ein sog. „Minderheitsgutachten“ über die Geschäftsführung müssen die Antragsteller einzeln oder insgesamt bei SARL mindestens 10 %, und bei SA bzw. SAS mindestens 5 % des Gesellschaftskapitals halten.
Es sei angemerkt, dass ein Geschäftsführungsgutachten erst beantragt werden kann, nachdem ein Gesellschafter bzw. Aktionär die Geschäftsleitung um schriftliche Auskunft zu einer Geschäftsführungsmaßnahme erbeten hat. Nur wenn innerhalb eines Monats keine Antwort erfolgt oder diese nicht zufriedenstellend ist, sind die Gesellschafter bzw. Aktionäre berechtigt, bei Gericht ein Geschäftsführungsgutachten zu beantragen. Zu beachten ist jedoch, dass bei einer SARL ein solches vorheriges Auskunftsersuchen nicht zwingend vorgeschrieben ist, sodass die Gesellschafter einer SARL direkt die Erstellung eines Gutachtens beantragen können.
Es ist legitim, dass ein Gesellschafter oder Aktionär darüber Kenntnis hat, was mit den von ihm der Gesellschaft zur Verfügung gestellten Mitteln geschieht, insbesondere wenn die Gesellschaft ihm gegenüber wenig „auskunftsfreudig“ ist, wie im vorliegenden Fall. Dieses Urteil stärkt also das Informationsrecht der Gesellschafter bzw. Aktionäre, welches nach den derzeitigen Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs recht begrenzt ist. Es bezieht sich nämlich hauptsächlich auf die Übermittlung der Gesellschaftsdokumente durch die Geschäftsleitung und ein schriftliches Auskunftsrecht „über alle Tatsachen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden können“ (SARL: Artikel L. 223-36, SA: Artikel L. 225-232, SAS: Artikel L. 227-1, SNC: Artikel L. 221-8).
Die Tragweite dieses Urteils ist sehr weitreichend, da sich der Wortlaut der für die einzelnen Handelsgesellschaften geltenden gesetzlichen Bestimmungen ähnelt und die in diesem Urteil gewählte Lösung somit auf alle der oben genannten Gesellschaftsformen anwendbar ist.
[1] Für die société anonyme (SA) gelten diesbezüglich Artikel L. 225-38 und L. 225-86, und für die société par actions simplifiée (SAS) findet Artikel L. 227-10 des französischen Handelsgesetzbuchs Anwendung.
CORPORATE - Eine juristische Person darf in ihrer Funktion als Präsidentin beleidigt sein
Eine französische Gesellschaft kann den immateriellen Schaden, der ihr durch ihre herabwürdigende und ehrverletzende Abbestellung als gesetzliche Vertreterin der Gesellschaft entstanden ist, ersetzt verlangen.
Frz. Kassationshof, Kammer für Handelssachen, 30. März 2022, 19-25.794
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Die Kammer für Handelssachen des französischen Kassationshofs hatte in ihrer Entscheidung vom 30. März 2022, AZ: 19-25.794, über die kuriose Frage zu entscheiden, ob eine juristische Person, ebenso wie eine natürliche Person, einen immateriellen Schaden aufgrund ihrer herabwürdigenden und ehrverletzenden Abbestellung als Präsidentin ersetzt verlangen kann.
Dieser Frage lag im Wesentlichen der folgende Sachverhalt zugrunde:
Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung französischen Rechts (SARL = société à responsabilité limitée) wurde als Geschäftsführerin in einer vereinfachten Aktiengesellschaft französischen Rechts (SAS = société par actions simplifiée) eingesetzt. Die SARL wurde selbst wiederum von einem Geschäftsführer vertreten, der zugleich der Alleingesellschafter war und zuvor selbst in persönlicher Hinsicht Geschäftsführer der SAS war. Sodann wurde die SARL im Rahmen einer Übernahmeaktion von ihrer Funktion als Geschäftsführerin der SAS ihrer Funktion enthoben.
Nach seiner Rückkehr aus dem Sommerurlaub wurde der Geschäftsführer vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Zugang zu seinen geschäftlichen E-Mails war gelöscht und seine Bankkarte zum Geschäftskonto gesperrt worden, genauso wie seine geschäftliche Telefonnummer. Außerdem war in der betroffenen Gesellschaft eine Sicherheitskraft eingestellt worden, die den Zugang zum Firmengebäude des ehemaligen Geschäftsführers verhindern sollte.
Der Kassationshof hat im vorliegenden Fall der SARL einen Ersatz des immateriellen Schadens für die ehrverletzenden und herabwürdigenden Umstände der Abberufung zugesprochen.
Grundsätzlich kann ein Geschäftsführer ad nutum, sprich zu jedem Zeitpunkt, abberufen werden. Eine Entschädigung für den Schaden kann hierbei in zwei Fällen verlangt werden. Einerseits kann die unbegründete Abbestellung des Geschäftsführers zu einem Schadensersatzanspruch führen, sofern dies je nach Gesellschaftsform von dem Gesellschaftsvertrag nicht ausgeschlossen wurde. Anderseits ist ein solcher Anspruch aufgrund einer missbräuchlichen Abbestellung eines Geschäftsführers gegeben.
Eine solche missbräuchliche Abbestellung liegt vor, wenn sie ehrverletzend oder herabwürdigend ist. Der Anspruch auf Schadensersatz dient jedoch gerade nicht dazu, den Verlust des Mandats des Geschäftsführers auszugleichen, sondern vielmehr der Wiedergutmachung für die schadensbegründenden Umstände der Abbestellung.
Der ehrverletzende und herabwürdigende Charakter einer Abbestellung mag vor allem einleuchten, wenn es sich dabei um eine natürliche Person handelt, die in der Lage ist, eine Beleidigung zu erfahren. In der Regel wird deshalb einer natürlichen Person hierfür ein immaterieller Schadensersatz in den Fällen zugesprochen, in denen ihr keine Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu der Abberufung zu äußern bzw. Stellung zu nehmen.
In der bisherigen Rechtsprechung wurde dies auch angenommen, wenn mit der Abberufung auch umgehend die Schlüssel zu den Firmengebäuden herausverlangt und dem abberufenen Geschäftsführer untersagt wurde, sich noch weiter auf dem Firmengelände aufzuhalten.
Im Gegensatz dazu wurde einer juristischen Person ein immaterieller Schadensersatz bisher nur dann zugesprochen, wenn ihr eine nachweisbare Rufschädigung oder negative Auswirkungen auf die öffentliche Meinung im Hinblick auf ihre Marke entstanden ist. Gleiches gilt für den Fall, dass ein Kreditinstitut falsche Informationen über die finanzielle Lage und den Verschuldungsgrad einer juristischen Person verbreitet. Ebenso kann eine juristische Person einen immateriellen Schaden durch unlautereren Wettbewerb erleiden, den sie sodann ersetzt verlangen kann.
Bisher konnten immaterielle Schäden, die an die Eigenschaft einer natürlichen Person knüpfen, lediglich von dieser geltend gemacht werden. Angstzustände oder besondere Stresssituationen können nur bei natürlichen Personen gegeben sein und deshalb auch nur von einer solchen geltend gemacht werden.
Mit dieser neuen Rechtsprechung des französischen Kassationshofs kann eine juristische Person sich nunmehr auch auf einen immateriellen Schaden berufen, der ihr durch eine ehrverletzende oder herabwürdigende Abberufung als gesetzliche Vertreter entstanden ist. Damit verwischt zunehmend die Grenze zwischen den Schadensersatzansprüchen, die einer juristische Person als solcher offenstehen, und denjenigen, welche die hinter ihr stehenden natürlichen Person geltend machen kann.
Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern sich die Grenzziehung zwischen der immateriellen Schadensposition für juristische und natürliche Personen durch die kommende Rechtsprechung entwickeln wird.
RECHTSSTREIT - Die EU-Verordnung Nr. 2020/1784 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen ist in Kraft getreten
Die EU-Verordnung Nr. 2020/1784 vom 25.11.2020 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten ist am 01.07.2022 in Kraft getreten. Ihr Ziel ist es, die Effizienz und Digitalisierung der Übermittlung und Zustellung von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken in grenzüberschreitenden Angelegenheiten zu verbessern.
Diese Verordnung enthält folgende drei Neuerungen:
Erstens erfolgt die Zustellung von Schriftstücken zwischen nationalen Stellen künftig zwingend auf digitalem Wege. Die digitale Zustellung muss nunmehr über ein sicheres und zuverlässiges dezentrales IT-System erfolgen, in dem alle von den Justizbehörden der verschiedenen Mitgliedstaaten verwendeten Computersysteme zusammengefasst sind. In Frankreich kann der Gerichtsvollzieher als zuständige Stelle das Schriftstück auf dieser Plattform hinterlegen, damit die zuständige Stelle im Bestimmungsstaat Zugriff auf das Schriftstück hat und es dem Empfänger zustellt. Diese dezentralisierte und interoperable Plattform wird jedoch erst 2025 einsatzbereit sein.
Ferner sieht die Verordnung vor, dass der Gerichtsvollzieher das Schriftstück dem Schriftstückempfänger auf elektronischem Weg selbst zustellen kann. Diese elektronische Zustellung ist jedoch nur möglich, wenn der Empfänger der Nutzung von Diensten für elektronische Einschreiben zugestimmt hat.
Zudem bestimmt die Verordnung, dass der Mitgliedstaat, in dem der Empfänger des Schriftstücks seinen Wohnsitz hat, bei der Ermittlung der Anschrift des Empfängers Hilfe leisten muss, wenn diese nicht bekannt ist.
Darüber hinaus behält diese Verordnung die gegenwärtigen Zustellungsarten bei, d. h. die unmittelbare Zustellung, die Postzustellung oder die Zustellung auf diplomatischem oder konsularischem Weg.
Schließlich wird darauf hingewiesen, dass das zuzustellende Schriftstück immer in eine Sprache, die der Empfänger versteht, oder in eine der Amtssprachen des Empfangsmitgliedstaats übersetzt worden sein muss. Andernfalls kann der Empfänger die Annahme des Schriftstücks innerhalb einer Frist von zwei Wochen verweigern.
STEUERRECHT - Entwurf zum Haushaltsgesetz 2023: Wichtige Maßnahmen für Unternehmen
Der Entwurf zum Haushaltsgesetz für 2023 enthält zahlreiche steuerliche Maßnahmen für Unternehmen, die wir im Folgenden kurz erläutern:
- Schrittweise Abschaffung der CVAE und Senkung der wertschöpfungsabhängigen Obergrenze.
Die sogenannte Cotisation sur la Valeur Ajoutée (CVAE), also die Abgabe auf die Wertschöpfung der Unternehmen (CVAE) würde nach der Gesetzesvorlage über einen Zeitraum von zwei Jahren schrittweise abgeschafft. Der Höchstsatz der CVAE würde 2023 auf 0,375 % gesenkt (derzeit liegt er bei 0,75 %). Ab 2024 fällt die CVAE nicht mehr an.
Zur Erinnerung: Die CVAE bildet zusammen mit der CFE (die sog. Cotisation Foncière des Entreprises, also die Abgabe auf Immobilien der Unternehmen) die beiden Komponenten der territorialen Wirtschaftsabgabe, also der Contribution Economique Territoriale, kurz CET.
Der Satz für die Deckelung der territorialen Wirtschaftsabgabe von derzeit 2 % wird 2023 zunächst auf 1,625 % und 2024 auf 1,25 % gesenkt. Mit der Abschaffung der CVAE wird die Deckelung im Jahr 2024 nur noch die CFE betreffen.
- 15 % Körperschaftsteuer für KMU: Anhebung der Gewinnobergrenze
Die Obergrenze für den Teil des Gewinns, der mit dem ermäßigten Körperschaftsteuersatz von 15 % besteuert wird, würde nach der Gesetzesvorlage von 38.120 € auf 42.500 € angehoben. Der normale Körperschaftsteuersatz beträgt 25 %.
- Befristete Solidaritätsabgabe für Unternehmen des Energiesektors (Contribution temporaire de solidarité)
Eine befristete Abgabe in Höhe von 33 % ist von großen Unternehmen des Energiesektors zu leisten, die eine industrielle Tätigkeit ausüben.
Die Abgabe wird von dem Teil des Gewinns berechnet, der einen aus den Ergebnissen der letzten drei Geschäftsjahre ermittelten Durschnitt übersteigt.
- Abschaffung der Quellensteuer (PAS) für nicht in Frankreich ansässige ausländische Arbeitgeber
Ab dem 1. Januar 2023 sind ausländische Arbeitgeber nicht mehr verpflichtet, die Quellensteuer auf die Gehälter bestimmter Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit in Frankreich ausüben, einzubehalten. Die Steuer wird nach dem System der Vorauszahlungen direkt vom Bankkonto des Arbeitnehmers abgebucht. Arbeitgeber müssen lediglich noch eine jährliche Steuererklärung abgeben.
Dadurch werden die Verwaltungspflichten für nicht in Frankreich niedergelassene ausländische Unternehmen vereinfacht, die die PAS monatlich erklären und zahlen müssen.
IMMOBILIEN- UND UMWELTRECHT - Instandsetzungslast eines Grundstücks mit umweltrelevanter Industrieanlage auf Kosten des Erwerbers bei nachträglicher Nutzungsänderung
Bei der Einstellung des Betriebs einer umweltrelevanten Industrieanlage hat der Betreiber das Grundstück derart zu sanieren, dass dessen künftige Nutzung möglich ist. Mit Urteil vom 29.06.2022 stellte der Kassationshof klar, wer die zusätzlichen Kosten für die weitere Instandsetzung des Grundstücks zu tragen hat, wenn der Erwerber die Nutzungsart ändert.
Im vorliegenden Fall stellte ein Betreiber einer umweltrelevanten Industrieanlage seine Tätigkeit ein und setzte das Grundstück insoweit instand, als dass eine industrielle und gewerbliche Nutzung wieder möglich war. Anschließend veräußerte der Betreiber das Grundstück an drei Ersterwerber. Diese veräußerten das Grundstück kurz darauf an einen Letzterwerber, nachdem der Bebauungsplan geändert worden war und das Grundstück nunmehr als Wohngebiet ausgewiesen wurde.
Um das Grundstück zu Wohnzwecken nutzen zu können, musste der Letzterwerber zusätzliche Sanierungsmaßnahmen durchführen lassen. Daher verlangte er vom ehemaligen Betreiber die Erstattung der Kosten, was dieser jedoch ablehnte. Der Letzterwerber verklagte daraufhin den Betreiber auf Schadensersatz.
In seinem Urteil vom 29.06.2022 gab der Kassationshof dem Betreiber Recht.
Zunächst wurde daran erinnert, dass ein Betreiber gesetzlich verpflichtet ist, das Grundstück so instand zu setzen, dass die künftige Nutzung gemäß den geltenden Vorschriften möglich ist. Bei einer späteren Nutzungsänderung des Grundstücks sind die damit verbundenen zusätzlichen Maßnahmen und Kosten jedoch nicht Sache des Betreibers, wenn er die Nutzungsänderung nicht selbst herbeigeführt hat.
Im vorliegenden Fall hatte der Betreiber das Grundstück einer industriellen und gewerblichen Nutzungsart entsprechend instandgesetzt. Die Nutzungsänderung des Grundstücks wurde vom Letzterwerber beantragt.
Darüber hinaus sah der zwischen dem Betreiber und den Ersterwerbern geschlossene Grundstückkaufvertrag vor, dass der Betreiber sich verpflichtete, etwaige zusätzliche Kosten für die Sanierung des Grundstücks nur dann zu übernehmen, wenn sie notwendig sind, um eine industrielle und gewerbliche Nutzung zu ermöglichen.
Der Letzterwerber muss daher die Kosten für die zusätzliche Sanierung des Grundstücks tragen, um dessen Nutzung als Wohngebiet zu ermöglichen.
Der Kassationshof hat somit zum ersten Mal klargestellt, wie weit die Instandsetzungspflicht des Betreibers einer umweltrelevanten Industrieanlage reicht, wenn eine Nutzungsänderung nach der Sanierungsgenehmigung vorgenommen wird.
Es bleibt fraglich, ob die Entscheidung des Kassationshofs anders ausgefallen wäre, wenn sich der Betreiber im Kaufvertrag verpflichtet hätte, unabhängig von der zukünftigen Nutzung des Grundstücks alle zusätzlichen Sanierungskosten zu übernehmen.
Tipp von GGV: Erwerber und Betreiber sollten bei der Gestaltung eines Kaufvertrags über ein umweltlich belastetes Grundstück darauf achten, dass die zusätzlichen Kosten für die Instandsetzung des Grundstücks im Falle einer später erfolgenden und nicht vom Betreiber beschlossenen Nutzungsänderung klar verteilt werden.
IMMOBILIEN- UND BAURECHT – Die Klage des Bauherrn gegen den Bauunternehmer auf Gewährleistung bei versteckten Mängeln ist Fristbeginn für den Rückgriff des Bauunternehmers gegen den Hersteller
Ein Bauunternehmer, der vom Bauherrn wegen Mängeln an den beim Bau verwendeten Werkstoffen verklagt wird, kann den Hersteller innerhalb von zwei Jahren auf Gewährleistung wegen versteckter Mängel in Anspruch nehmen. In einem Urteil vom 29.06.2022 stellte die Kammer für Handelssachen des Kassationshofs klar, dass diese Zweijahresfrist ab dem Zeitpunkt läuft, an dem der Bauherr den Bauunternehmer verklagt.
Im vorliegenden Fall hatte ein Unternehmer im Rahmen eines Bauvertrags Photovoltaikmodule installiert. Die Steckverbinder der Photovoltaikmodule waren defekt, sodass die Stromerzeugung unterbrochen wurde. Dieser Mangel wurde im Jahr 2012 festgestellt. Der Bauherr reichte daraufhin im Jahr 2015 eine Haftungsklage gegen den Bauunternehmer. Der Bauunternehmer nahm sodann 2017 den Hersteller der Steckverbinder der Photovoltaikmodule wegen versteckter Mängel in Rückgriff.
Das Berufungsgericht wies diese Rückgriffklage des Bauunternehmers als unzulässig ab. Es war der Ansicht, dass die Zweijahresfrist für die Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen wegen versteckter Mängel am Tag der Entdeckung des Mangels im Jahr 2012 begonnen hatte, und dass der Rückgriffsanspruch des Bauunternehmers, der von diesem gegenüber dem Hersteller erst im Jahr 2017 geltend gemacht wurde, somit verjährt war.
Mit Urteil vom 29.06.2022 hob die Kammer für Handelssachen des Kassationshofs das Urteil des Berufungsgerichts auf. Die Kammer für Handelssachen entschied, dass die zweijährige Frist für die Klage des Bauunternehmers gegen den Hersteller auf Rückgriff wegen versteckter Mängel an dem Tag beginnt, an dem der Bauherr den Bauunternehmer verklagt.
Der Bauunternehmer, der 2015 vom Bauherrn verklagt worden war und den Hersteller im Jahr 2017 in Anspruch genommen hatte, hatte demnach die Frist eingehalten, sodass seine Rückgriffsansprüche wegen versteckter Mängel nicht verjährt waren.
Die Kammer für Handelssachen nimmt damit eine Kehrtwende in ihrer Rechtsprechung vor. Bisher hatte sie in diesen Fällen bei versteckten Mängeln die allgemeine Ausschlussfrist von fünf Jahren ab dem ursprünglichen Verkauf des Produkts angewendet (Kammer für Handelssachen des Kassationshofs, 16.01.2019). Dies war auch die Auffassung der ersten Zivilkammer des Kassationshofs. Sie begünstigte somit den Hersteller, der fünf Jahre nach dem Verkauf des Produkts nicht mehr wegen versteckter Mängel in Anspruch genommen werden konnte.
Im Gegensatz dazu hat die dritte Zivilkammer jedoch kürzlich entschieden, dass die allgemeine fünfjährige Ausschlussfrist ebenso wie die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen wegen versteckter Mängel erst ab der Klageerhebung gegen den Bauunternehmer läuft (3. Zivilkammer des Kassationshofs, 16.02.2022). Es gibt also eine divergierende Rechtsprechung der verschiedenen Kammern des Kassationshofs zum Beginn der Frist für die Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen des Bauunternehmers gegen den Hersteller wegen versteckter Mängel.
Mit dem Urteil vom 29.06.2022 folgte die Kammer für Handelssachen der Auffassung der dritten Zivilkammer bezüglich des Beginns der Frist für versteckte Mängel. Diese Position ist für den Bauunternehmer von Vorteil, der den Hersteller in Anspruch nehmen kann, sobald er selbst vom Bauherrn verklagt wird.
GGV informiert: Diese uneinheitliche Rechtsprechung führt zu Rechtsunsicherheit. Der Kassationshof könnte daher in Kürze versuchen, seine Rechtsprechung anzugleichen, um einen Kompromiss zwischen den Interessen des Bauunternehmers und denen des Herstellers zu finden. Bis zu dieser Harmonisierung werden Bauunternehmer, die von einem Bauherrn verklagt werden, gezwungen sein, den Hersteller so schnell wie möglich in Anspruch zu nehmen, um eine Verjährung der Ansprüche zu verhindern.
IMMOBILIEN- UND UMWELTRECHT - Das Recht in einer ausgewogenen und gesundheitsverträglichen Umwelt zu leben ist nun vom Obersten Verwaltungsgerichtshof als Grundrecht anerkannt
Mit Urteil vom 20.09.2022 hat der Oberste Verwaltungsgerichtshof das Recht, in einer ausgewogenen und gesundheitsverträglichen Umwelt zu leben, als Grundrecht verankert. Jeder kann sich auf dieses Grundrecht berufen, um bei Umweltgefährdungen das Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anzurufen.
Im vorliegenden Fall haben Privatpersonen einen Verwaltungsakt zu Straßenbauarbeiten beim Verwaltungsgericht angefochten. Gleichzeitig beantragten sie die Aussetzung der Durchführung dieser Bauarbeiten mit der Begründung, dass sie das in Artikel 1 der französischen Umweltcharta vom 01.03.2005 verankerte Recht auf ein Leben in einer ausgewogenen und gesundheitsverträglichen Umwelt beeinträchtigten.
Der Oberste Verwaltungsgerichtshof urteilte, dass das Recht des Einzelnen, in einer ausgewogenen und gesundheitsverträglichen Umwelt zu leben, Grundrechtscharakter hat.
So kann jede Person in dringenden Fällen und bei einer schweren und offensichtlich rechtswidrigen Beeinträchtigung dieses Rechts einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht beantragen, damit dieses die notwendigen Maßnahmen gegen die Verwaltungsmaßnahme, wie z. B. deren Aussetzung anordnet (Art. L. 521-2 des französischen Verwaltungsverfahrensgesetzes).
Der Oberste Verwaltungsgerichtshof eröffnet also einen neuen Verfahrensweg, um gegen eine umweltschädigende Verwaltungsmaßnahme vorzugehen.
Der Oberste Verwaltungsgerichtshof weist in seinem Urteil auch an die anderen Rechtsbehelfe hin, die im Falle einer Umweltschädigung in Betracht kommen. Jede Person kann in dringenden Fällen beim Verwaltungsgericht ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren anstrengen, um die vorläufige Aussetzung der Verwaltungsmaßnahme oder die Anordnung von Sicherungsmaßnahmen zu beantragen (Art. L. 521-1 bzw. L. 521-3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes).
Das für den vorläufigen Rechtsschutz zuständige Verwaltungsgericht kann darüber hinaus eine Verwaltungsmaßnahme in folgenden Fällen vorläufig aussetzen:
- Beim Fehlen einer Umweltverträglichkeitsprüfung der Bauarbeiten (Art. L. 122-2 und L. 123-16 des Umweltgesetzbuchs), oder
- bei einer negativ ausfallenden Prüfung durch den Untersuchungsbeauftragten oder den Untersuchungsausschuss oder
- wenn keine öffentliche Untersuchung oder Beteiligung der Öffentlichkeit stattgefunden hat (Art. L. 123-16 des Umweltgesetzbuchs).
DATENSCHUTZ – Fokus auf die Geolokalisierung von Fahrzeugen
Die Geolokalisierung, die eine genaue Ortung eines oder mehrerer Fahrzeuge in Echtzeit ermöglicht, kann sich für Unternehmen als nützlich erweisen, die beispielsweise ihre Fahrzeugflotte überwachen, die Sicherheit von Personen gewährleisten oder die von den Fahrern zurückgelegten Strecken optimieren möchten. Die Ortung kann jedoch auch erhebliche Auswirkungen auf die Privatsphäre von Personen haben und erfordert daher die Einhaltung bestimmter Vorgaben, um rechtmäßig eingesetzt werden zu können.
Hieran hat die CNIL, die französische Datenschutzbehörde, in ihrer Entscheidung Nr. SAN-2022-015 vom 7. Juli 2022 gegen das Unternehmen UBEEQO INTERNATIONAL, welches Fahrzeuge kurzfristig vermietet, erinnert.
Während der Fahrt der Kunden, bei der kein Personal von UBEEQO anwesend ist, sammelte das Unternehmen alle 500 Meter die Ortungsdaten der Fahrzeuge, wenn sich das Fahrzeug bewegte, der Motor ein- bzw. ausgeschaltet oder die Türen betätigt wurden.
UBEEQO hatte diesbezüglich vorgebracht, dass die Datensammlung für die Wartungssicherstellung, den Kundenservice, die Ortung der Fahrzeuge bei einem Diebstahl und die Möglichkeit, Kunden im Falle eines Unfalls zu helfen, notwendig und gerechtfertigt sei.
Die CNIL war jedoch der Ansicht, dass UBEEQO in dreifacher Hinsicht gegen die Datenschutzbestimmungen verstoßen hat:
- Zunächst einmal stellte die CNIL einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur Datenminimierung (Art. 5 (1) c) DSGVO) fest, da die Datenerhebung im Vergleich zum angestrebten Zweck zu fein abgestuft war und einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre der Kunden darstellte.
- Darüber hinaus verurteilte die CNIL UBEEQO dafür, dass das Unternehmen den Nutzern/Kunden bei der Anmeldung keinen Zugang zu den relevanten Informationen über die Datenverarbeitung gewährt hatte (Verstoß gegen Art. 13 DSGVO). Die Nutzer mussten diese Informationen in den allgemeinen Nutzungsbedingungen suchen, was nach Ansicht der CNIL nicht den Anforderungen an eine leichte Informationszugänglichkeit genügt.
- Schließlich hatte das Unternehmen UBEEQO die Daten drei Jahre lang nach dem Ende der letzten Fahrzeugnutzung des Kunden aufbewahrt. Dies war nach Ansicht der CNIL für das Unternehmen nicht notwendig, um die Fahrzeugflotte zu verwalten, das Fahrzeug im Falle eines Diebstahls wiederzufinden oder den Kunden bei einem Unfall oder einer Panne zu unterstützen, und verstieß daher gegen die Verpflichtung, eine verhältnismäßige Speicherbegrenzung festzulegen und einzuhalten (Artikel 5 (1) e) DSGVO).
Folglich verhängte die CNIL ein Bußgeld von 175.000 Euro gegen UBEEQO INTERNATIONAL.
Diese Entscheidung ist ein gutes Beispiel für das Spannungsverhältnis zwischen den Interessen eines Unternehmens, das ein legitimes Interesse an der Nutzung aller Funktionen eines Ortungssystems zu haben glaubt, und den Rechten und Freiheiten von Personen, unabhängig davon, ob sie Kunden des Unternehmens oder Arbeitnehmer sind.
Zu diesem Thema hat die CNIL in der Vergangenheit bereits Empfehlungen im Zusammenhang mit der Ortung von Arbeitnehmerfahrzeugen ausgesprochen. So hat die CNIL beispielsweise klargestellt, dass Arbeitgeber die Ortung ihrer Mitarbeiter zu bestimmten Zwecken einsetzen können, aber keinesfalls ein Ortungssystem verwenden dürfen, um etwa die Einhaltung von Geschwindigkeitsbegrenzungen durch den Arbeitnehmer zu kontrollieren, diesen ständig zu überwachen oder die Arbeitszeit zu berechnen, wenn es hierfür eine andere Vorrichtung gibt.
DATENSCHUTZ - Verurteilung von zwei Unternehmen wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen im Rahmen von kommerzieller Werbung
Die französische Datenschutzbehörde (CNIL), für die in diesem Jahr das Thema Datenschutz im Rahmen von kommerzieller Werbung im Fokus der Kontrolle steht, hat die Unternehmen TOTAL ENERGIES ELECTRICITE ET GAZ FRANCE und ACCOR wegen Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verurteilt.
Am 23. Juni 2022 verhängte die CNIL gegen TOTAL ENERGIES ELECTRICITE ET GAZ FRANCE ein Bußgeld von einer Million Euro. Kurz darauf, am 3. August 2022, war es ACCOR, das von der französischen Aufsichtsbehörde mit einem Bußgeld von 600.000 Euro sanktioniert wurde. In beiden Fällen stellte die CNIL Verstöße gegen die für die direkte kommerzielle Werbung auf elektronischem Wege geltenden Vorschriften fest.
Die CNIL warf den beiden Unternehmen, TOTALENERGIE und ACCOR, verschiedene Verstöße vor:
– Fehlen einer gültigen Einwilligung, obwohl die versendeten Newsletter andere Produkte oder Dienstleistungen als die von der Gesellschaft bereits gelieferten betrafen oder gänzlich ohne vorherige vertragliche Beziehung verschickt wurden (ACCOR)- Einholung der Einwilligung durch ein vorab angekreuztes Kästchen (ACCOR)
- Vorvertragliche Informationen, die unrechtmäßig übermittelt wurden, indem am Ende der Webseite lediglich ein Link zu einer Charta zum Schutz personenbezogener Daten bereitgestellt bzw. eine unvollständige telefonische Nachricht übermittelt wurde (ACCOR, TOTAL ENERGIES)
- Keine Berücksichtigung von Widersprüchen der betroffenen Personen aufgrund einer technischen Fehlfunktion (ACCOR) oder der eingerichteten internen Prozesse (TOTAL ENERGIES)
- Keine fristgerechte Berücksichtigung von Anträgen auf Datenzugang
- Nicht ausreichendes Schutzniveau des Passworts, das den Zugriff auf das Tool zur Verfolgung von Werbekampagnen ermöglicht, und damit Nichteinhaltung der Verpflichtung zur Sicherheit personenbezogener Daten (Artikel 32 DSGVO) (ACCOR).
Zur Erinnerung: Bei der elektronischen B2C-Werbung müssen Verbraucher ihre freiwillige, in Kenntnis der Sachlage erlangte und unmissverständliche Einwilligung erteilen, die zudem in Form einer Erklärung oder einer eindeutig bestätigenden Handlung des potenziellen Kunden abgegeben werden muss. Ist die beworbene Person bereits Kunde des Unternehmens und bezieht sich die Werbeaktion auf ähnliche Produkte oder Dienstleistungen wie die bereits gelieferten, muss die Person zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer Daten über deren spätere Verwendung für Werbezwecke informiert werden und die Möglichkeit haben, sich einer solchen Verwendung ihrer Daten zu widersetzen. Ebenso muss im Falle von B2B der potenzielle Kunde zum Zeitpunkt der Erhebung seiner Daten über den Zweck der Verwendung informiert werden und die Möglichkeit haben, die Verwendung seiner E-Mail-Adresse für Zwecke der elektronischen Werbung abzulehnen.
ARBEITSRECHT - Über Maßnahmen zur Stützung der Kaufkraft, die für Unternehmen und ihre Beschäftigten relevant sind
Um die Kaufkraft der Bürger Frankreichs zu stützen, wurden kürzlich mehrere Maßnahmen geschaffen, von denen manche für Unternehmen und ihre Beschäftigten von Interesse sind. So ermöglicht das Gesetz Nr. 2022-1157 vom 16. August 2022 über den Nachtragshaushalt für 2022 Arbeitnehmern, bestimmte Ruhetage zu monetarisieren, während das Gesetz Nr. 2022-1158 vom 16. August 2022 über Notfallmaßnahmen zum Schutz der Kaufkraft insbesondere eine „Teilhabeprämie“ (prime de partage de la valeur) einführt.
Monetarisierung von Ruhetagen
Arbeitnehmer können mit Zustimmung des Arbeitgebers auf gewisse Ruhetage (jours de réduction du temps de travail, kurz „JRTT”) verzichten, die sie zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 31. Dezember 2025 in Anwendung eines vor dem 20. August 2008 geschlossenen und für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags oder in Anwendung bestimmter Arbeitszeitregelungen, wie etwa der Regelung der Arbeitszeit über mehrere Wochen („Modulation“), erworben haben.
Es sind also insbesondere Unternehmen betroffen, die in Branchen tätig sind, in denen die 35-Stunden-Woche durch die Gewährung von JRTT eingeführt wurde.
Für die infolge dieses Verzichts gearbeiteten ganzen und halben Tage wird ein Lohnzuschlag gezahlt, der mindestens dem im Unternehmen geltenden Zuschlagssatz für die erste Überstunde entspricht, d. h. in den meisten Fällen ein Zuschlag von 25 %.
Die so geleisteten Stunden werden nicht auf das im Unternehmen geltende Überstundenkontingent angerechnet.
Die dem Arbeitnehmer für diesen Verzicht gezahlte Vergütung unterliegt den sozialversicherungsrechtlichen und steuerlichen Regelungen für Überstunden und ist daher in bestimmten Grenzen und unter bestimmten Bedingungen von Sozialbeiträgen und der Einkommensteuer befreit. Sie unterliegt jedoch weiterhin den Sonderabgaben CSG und CRDS und wird in den Betrag des steuerlichen Referenzeinkommens einbezogen.
GGV rät, die Vereinbarung zwischen Arbeitnehmern, die auf JRRT verzichten, und dem Arbeitgeber zu dokumentieren.
Teilhabeprämie (Prime de partage de la valeur)
Die Teilhabeprämie, die die frühere Sonderkaufkraftprämie (prime exceptionnelle de pouvoir d’achat) ersetzt, kann Arbeitnehmern auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder durch eine einseitige Entscheidung des Arbeitgebers nach Anhörung des Betriebsrats (Comité social et économique, CSE) – falls vorhanden – gewährt werden.
Diese Prämie ist bis zu einem Höchstbetrag von 3.000 Euro pro Begünstigten und Kalenderjahr von Sozialbeiträgen und – vorübergehend und unter bestimmten Bedingungen – von CSG/CRDS, Einkommensteuer, Steuer auf Gehälter und Sozialpauschale (forfait social) befreit.
Der Freibetrag beläuft sich auf 6.000 Euro pro Begünstigten und Kalenderjahr, wenn:
– ein Unternehmen, das zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung über die Beteiligung des Personals an Unternehmensergebnissen (accord de participation) verpflichtet ist (grundsätzlich Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten), am Tag der Auszahlung der Prämie über eine Betriebsvereinbarung über die Beteiligung des Personals am Unternehmenserfolg (accord d‘intéressement) verfügt oder eine solche Betriebsvereinbarung für dasselbe Geschäftsjahr wie das der Auszahlung der Prämie abschließt,
– ein Unternehmen, das nicht zum Abschluss eines accord de participation verpflichtet ist, einen accord de participation oder einen accord d‘intéressement abgeschlossen hat bzw. einen accord de participation oder einen accord d‘intéressement für dasselbe Geschäftsjahr wie das der Prämienzahlung abschließt.
GGV empfiehlt, die Laufzeit der Betriebsvereinbarung oder der einseitigen Arbeitgeberentscheidung über die Teilhabeprämie auf ein Kalenderjahr zu begrenzen, wobei die Vereinbarung bzw. die Entscheidung im Folgejahr verlängert werden kann.
ARBEITSRECHT – KURZMELDUNG – Pflicht zur Aktualisierung der Betriebsordnung, um auf das Bestehen des Schutzes von Hinweisgebern zu erinnern
Am 1. September ist das Gesetz Nr. 2022-401 vom 21. März 2022, das den Schutz von Whistleblowern verbessern soll, in Kraft getreten. Es hat Artikel L. 1321-2 des französischen Arbeitsgesetzbuchs geändert, der nunmehr vorsieht, dass in der Betriebsordnung darauf hingewiesen werden muss, dass ein Regelwerk zum Schutz von Hinweisgebern besteht, wie es das Gesetzes Nr. 2016-1681 vom 9. Dezember 2016 über Transparenz, Korruptionsbekämpfung und Modernisierung des Wirtschaftslebens vorsieht. Die Betriebsordnung muss daher in diesem Sinne geändert werden.
COMPLIANCE – KURZMELDUNG – Veröffentlichungen und Empfehlungen des BAFA, der für die Überwachung der Anwendung des deutschen Sorgfaltspflichtgesetzes zuständigen Behörde
Am 01.01.2023 tritt das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat nicht nur die Aufgabe, die Anwendung des LkSG durch Unternehmen zu kontrollieren und gegebenenfalls zu sanktionieren, sondern auch Informationen zu veröffentlichen und Empfehlungen zur Anwendung des LkSG auszusprechen. In diesem Zusammenhang hat das BAFA in jüngster Zeit mehrere Dokumente veröffentlicht.
Nach dem LkSG sind Unternehmen verpflichtet, einmal jährlich und bei jeder wesentlichen Veränderung der Risikolage in der Lieferkette, etwa durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes, eine Risikoanalyse durchzuführen. In der „Handreichung zur Umsetzung einer Risikoanalyse nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes“, welche die diesbezüglichen Anforderungen des LkSG vorstellt, betont das BAFA die Bedeutung der Risikoanalyse für die strategische und operative Ausrichtung eines Unternehmens. Die Behörde weist darauf hin, dass die Unternehmen die Risiken so priorisieren müssen, dass sie in der Lage sind, zunächst die wichtigsten Risiken zu behandeln. Das BAFA empfiehlt den Unternehmen, die Analyse zu vertiefen, wenn mehr Informationen zu einem bestimmten Risiko benötigt werden, um angemessene Maßnahmen zu ergreifen.
Unternehmen sind darüber hinaus verpflichtet, jährlich einen Bericht über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im vergangenen Geschäftsjahr zu erstellen und spätestens vier Monate nach Schluss des Geschäftsjahres auf ihrer Internetseite zu veröffentlichen. Hierzu müssen die Unternehmen einen vom BAFA entwickelten und kürzlich veröffentlichten „Fragenkatalog zur Berichterstattung gemäß § 10 Abs. 2 LkSG“ ausfüllen. Der Fragebogen enthält 437 Antwortfelder mit offenen und geschlossenen Fragen sowie Multiple-Choice-Fragen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten.
Schließlich hat das BAFA auch eine Handreichung „Beschwerdeverfahren nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz“ veröffentlicht, welche die dem LkSG unterliegenden Unternehmen einrichten müssen. Das Beschwerdeverfahren soll es ermöglichen, drohende oder bereits eingetretene Risiken für Menschenrechte und die Umwelt zu melden. In diesem Leitfaden erläutert das BAFA die Schritte zur Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens sowie zur Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen.
Das BAFA betont die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Sorgfaltspflichten und legt dar, dass das Hinweisgebersystem es Unternehmen ermöglicht, Zugang zu Informationen über den Schweregrad der Risiken von Menschenrechts- oder Umweltverletzungen, die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens, die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen oder den Beitrag des Unternehmens zur Verursachung dieser Risiken sowie seine Einflussmöglichkeiten zur Vermeidung oder Minimierung der Risiken zu erhalten. Das BAFA fügt hinzu, dass diese Kenntnisse beispielsweise bei der Risikoanalyse sowie den Präventions- und Abhilfemaßnahmen berücksichtigt werden müssen.
Tipp von GGV: Unterliegen Sie als Unternehmen sowohl dem deutschen als auch dem französischen Sorgfaltspflichtengesetz? Kontaktieren Sie uns, um mehr darüber zu erfahren, wie Sie die sich aus diesen beiden Gesetzen ergebenden Pflichten miteinander in Einklang bringen können.
COMPLIANCE – KURZMELDUNG – Hinweisgeber: Die Durchführungsverordnung ist erschienen
In unserem Deutsch-Französischen Informationsbrief vom März 2022 hatten wir die Neuerungen des am 01.09.2022 in Kraft getretenen französischen Gesetzes zum Schutz von Hinweisgebern zusammengefasst. Die lang erwartete Durchführungsverordnung wurde schließlich am 04.10.2022 veröffentlicht und ermöglicht es Unternehmen, ihre Hinweisgeberverfahren zu aktualisieren.
Die Durchführungsverordnung regelt die Verfahren zur Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen und legt in ihrem Anhang die Liste der 45 externen Meldestellen fest, bei denen Meldungen abgegeben werden können. Sie enthält einige Ausführungen zu dem Gesetz, spricht sich jedoch nicht zu allen erwarteten Punkten aus.
In Bezug auf die zusammengelegte Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen unterscheidet die Durchführungsverordnung subtil zwischen Unternehmen, die ohne Berücksichtigung eines Schwellenwerts hinsichtlich der Beschäftigten einen Dritten mit der Entgegennahme von Meldungen beauftragen können, und Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten, die sowohl für die Entgegennahme als auch die Bearbeitung von Meldungen eine gemeinsame Stelle betreiben können. Daraus ergibt sich für Unternehmensgruppen, dass die gemeinsame Entgegennahme von Meldungen unabhängig von der Größe der Unternehmen der Gruppe immer möglich ist, während die gemeinsame Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen nur für Unternehmen der Gruppe mit weniger als 250 Mitarbeitern vorgesehen ist.
Die Durchführungsverordnung regelt die Fristen für die Bestätigung des Eingangs einer Meldung (7 Tage) und für die Rückmeldung an die hinweisgebende Person (3 Monate) sowie die Voraussetzungen für die Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle.
Die Durchführungsverordnung sieht auch vor, dass die mit der Entgegennahme und Bearbeitung von Meldungen beauftragten Personen oder Arbeitseinheiten aufgrund ihrer Stellung oder ihres Status über die Kompetenz, die Befugnis und die Mittel verfügen müssen, die für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind.
Schließlich muss das Verfahren auf eine Weise verbreitet werden, die eine ausreichende Publizität gewährleistet: Zustellung, Aushang oder Veröffentlichung, gegebenenfalls auf der Internetseite des Unternehmens oder auf elektronischem Weg.
Obwohl das Gesetz in diesen Punkten auf die Durchführungsverordnung verweist, enthält diese keine näheren Angaben zu den Garantien für die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Hinweisgebersystems sowie zur Erhebung und Speicherung von personenbezogenen Daten.
Tipp von GGV: Weitere Informationen über das Gesetz und die Durchführungsverordnung betreffend hinweisgebende Personen finden Sie auf unserer Website https://whistleblowing-ggv.com/.