Deutsch-Französischer Informationsbrief | Frühjahr 2023
In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche wie steuerrechtliche Entwicklungen in Frankreich informieren. Die deutsch-französischen Anwälte von GGV, die die verschiedenen Beiträge zu diese Brief verfasst haben, sind alle in der Beratung von Unternehmen in ihren grenzüberschreitenden Fragen spezialisiert.
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News Frankreich
- CORPORATE - Werden die persönlichen Daten der wirtschaftlich Berechtigten tatsächlich ausreichend geschützt? Ja, aber nicht von allen! Frankreich macht eine Ausnahme
- CORPORATE – Das Labyrinth der Zentralstelle für Formalitäten
- CORPORATE – KURZMELDUNG – Feststellung des Jahresabschlusses
- HANDELSRECHT - Das „Descrozaille“-Gesetz („Egalim 3“): Neue Regeln zwischen Lieferanten und Käufern
- HANDELSRECHT – KURZMELDUNG – Die französische Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung ist berechtigt, eine digitale Plattform auszulisten, deren Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist
- HANDELSRECHT – Plötzliche und unerwartete Kündigung der Geschäftsbeziehungen: Während der Kündigungsfrist geltende Modalitäten
- HANDELSRECHT - Zwischenstand: drei Jahre nach Verabschiedung des AGEC-Gesetzes
- HANDELSRECHT - KURZMELDUNG - Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen von Vertriebsverträgen
- ARBEITSRECHT – Jahresarbeitszeit in Tagen: Notwendigkeit einer effektiven und regelmäßigen Kontrolle der Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers
- ARBEITSRECHT – Die Drohung, Anzeige gegen den Arbeitgeber zu erstatten, kann eine Disziplinarkündigung des Arbeitnehmers begründen, wenn er versucht hat, damit seinen Arbeitgeber einzuschüchtern
- ARBEITSRECHT – KURZMELDUNG – Informationspflichten der Arbeitgeber
- ARBEITSRECHT – KURZMELDUNG – Erleichterungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich
- COMPLIANCE - Unternehmenstransaktionen: die Herausforderungen bei der Überprüfung von Compliance-Programmen
- COMPLIANCE - Erste Entscheidung zur Sorgfaltspflicht in Frankreich
- COMPLIANCE - Handreichung des BAFA zur Angemessenheit der Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
- IMMOBILIENRECHT - Der Eigentümer eines Grundstücks, das als klassifizierte Anlage zum Schutz der Umwelt (ICPE) betrieben wird, ist nur in eingeschränkten Fällen für Abfälle verantwortlich
- GESUNDHEITSRECHT - Streichung von Kosmetik- und Tätowierungsprodukten aus der Liste der Gesundheitsprodukte ab dem 1. Januar 2024
- GESUNDHEITSRECHT - Der Gründer eines Schönheitszentrums wird wegen Beihilfe zur illegalen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit verurteilt
News Frankreich
CORPORATE - Werden die persönlichen Daten der wirtschaftlich Berechtigten tatsächlich ausreichend geschützt? Ja, aber nicht von allen! Frankreich macht eine Ausnahme
Obwohl der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 22. November 2022 (EuGH, C-37-20 und C-601/20) die Bestimmungen über die freie Verfügbarkeit der persönlichen Daten der wirtschaftlich Berechtigten für ungültig erklärt, hält der französische Wirtschaftsminister, Bruno Le Maire, weiter an der Zugänglichkeit für die breite Öffentlichkeit fest. Das Transparenzregister bleibt daher in Frankreich über die Internetseite des INPI (Institut national de la Propriété Industrielle) weiterhin für alle abrufbar.
1. Wer gehört zu den wirtschaftlich Berechtigten und wozu dient deren Erfassung?
Seit der Einführung der europäischen Richtlinie 2015/849 vom 20. Mai 2015, die in Frankreich im Währungs- und Finanzgesetzbuch umgesetzt wurde, ist die Angabe der wirtschaftlich Berechtigten von einer Gesellschaft bzw. von sonstigen juristischen Personen in Frankreich, bei der Eintragung in das Handelsregister sowie bei Änderungen des Registers verpflichtend geworden.
Ziel der Richtlinie ist die Bekämpfung von Geldwäsche, Korruption und der Finanzierung des Terrorismus (AML/CFT).
Die 5. und jüngste Richtlinie 2018/843 vom 30. Mai 2018 sieht, nach mehreren Änderungen dieser Vorschriften, nunmehr eine umfangreiche Veröffentlichung der beim Transparenzregister eingetragenen personenbezogenen Angaben vor: Vor- und Nachnamen, Geburtsdatum, Wohnsitzland und Staatsangehörigkeit, gegebenenfalls die in der Gesellschaft ausgeübte Funktion (gesetzlicher Vertreter, Geschäftsführer, Gesellschafter usw.), oder die Art und den Anteil der tatsächlichen Beteiligung, die ein wirtschaftlich Berechtigter an dem jeweiligen Unternehmen bzw. der betreffenden Einrichtung hält (Anteil am Kapital, Anteil der Beteiligungen über eine dazwischengeschaltete juristische Person sowie Anteil an Stimmrechten).
Die Überprüfung eines Unternehmens ist der erste Schritt, um sicherzustellen, dass die bestehenden oder zukünftigen Geschäftsbeziehungen nicht dadurch gefährdet sind, dass die wirtschaftlich Berechtigten des Unternehmens eventuellen Sanktionen, Antikorruptionsmaßnahmen und/oder Maßnahme gegen Geldwäsche unterliegen. Dieses Thema hat insbesondere seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges am 24. Februar 2022 wieder an Aktualität gewonnen. Die Maßnahmen der französischen Regierung, wie beispielsweise das Einfrieren von russischem Vermögen und die Beschlagnahme von Eigentum von Oligarchen, verpflichten die Unternehmen dazu, ihre jeweiligen Geschäftspartner anhand des Transparenzregisters regelmäßig zu überprüfen.
Im Rahmen des Kampfes gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung kann die Überprüfung eines wirtschaftlich Berechtigten zu weiteren Nachforschungspflichten führen, insbesondere wenn es sich um eine politisch exponierte Person handelt.
Wird die Überprüfung eines wirtschaftlich Berechtigten nicht ordnungsgemäß durchgeführt, besteht das Risiko, selbst Gegenstand von Sanktionsverfahren wegen Korruption, Geldwäsche oder Steuerbetrug zu werden. Dies geht nicht selten mit einer erheblichen Rufschädigung einher.
2. Welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Mitgliedsstaaten der EU?
Durch die EuGH-Entscheidung ist der Zugang für die breite Öffentlichkeit zu den persönlichen Daten der wirtschaftlich Berechtigten in allen Mitgliedsländern rechtswidrig. Der Gerichtshof entschied, dass der öffentliche Zugang zu den sensiblen Informationen der wirtschaftlich Berechtigte einen schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte auf Privatsphäre sowie der Schutz von personenbezogenen Daten darstellt, die in Artikel 7 und 8 der Europäischen Grundrechtscharta verankert sind. Der EuGH lässt jedoch durchblicken, dass eine Beschränkung des Zugangs zum Transparenzregister für Eintragungspflichtige sowie für Unternehmen, die ein berechtigtes Interesse darlegen können, wohl verhältnismäßig ist.
Die Mitgliedsstaaten Luxemburg, Österreich, Deutschland, Belgien, Zypern und Malta haben den Zugang zu ihren Transparenzregistern zum Teil (ausschließlich für die Presse und Eintragungspflichtige) bzw. vollständig eingeschränkt. Allerdings haben noch nicht alle Mitgliedsstaaten über die Umsetzung der Entscheidung des EuGH entschieden.
Für Frankreich hat der französische Minister für Wirtschaft, Finanzen und industrielle und digitale Souveränität mitgeteilt, dass für die breite Öffentlichkeit der uneingeschränkte Zugang, auch zu den im Transparenzregister gespeicherten personenbezogenen Daten vorerst weiter beibehalten wird, bis letztlich absehbar ist, welche Folgen sich konkret aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ergeben.
In jedem Fall hat diese Auslegung des EuGH-Urteils zur Folge, dass die einzelnen europäischen Mitgliedsstaaten in naher Zukunft die Handhabung der öffentlichen Zugänglichkeit zum Transparenzregister uneinheitlich umsetzen werden. Am Ende könnte dies sogar das Abträglichste sein, was man sich für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Europa wünschen würde. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich dieses Thema in der nächsten Zeit entwickeln wird.
CORPORATE – Das Labyrinth der Zentralstelle für Formalitäten
Am 1. Januar 2023 hat die französische Regierung eine neue Plattform für die gesetzlichen Formalitäten ins Leben gerufen, die „Zentralstelle für Formalitäten“ (frz. „Guichet Unique“). Diese wird vom französischen Marken- und Patentamt, dem Institut national de la protection industrielle (INPI) betrieben. Diese Plattform, die eigentlich zur Vereinfachung der Verwaltungsabläufe dient, begegnet seit ihrer Einführung jedoch einigen Hürden.
Sinn und Zweck der Einführung der Zentralstelle für Formalitäten ist die Vereinfachung und Vereinheitlichung der verschiedenen Formalitäten bei den einzelnen Verwaltungsbehörden, wie der Industrie- und Handelskammer, der Handwerkskammer, der Behörde für Unternehmensformalitäten, dem Handels- und Gesellschaftsregister, dem französischen Verband für die Einziehung von Sozialabgaben oder den einzelnen Steuerbehörden.
Dabei werden die Verwaltungsverfahren zu der jeweiligen Formalität eines Unternehmens in einem einzigen Register, dem Nationalen Handels- und Gesellschaftsregister (RNCS), zusammengefasst.
Alle gesetzlichen Formalitäten eines Unternehmens, sei es die Gründung oder Änderung einer Gesellschaft oder auch die Hinterlegung des Jahresabschlusses, müssen nunmehr ausschließlich über diese landesweite Plattform durchgeführt werden.
Der INPI-Auszug soll bis Ende 2023 den bisherigen französischen Handelsregisterauszug (sog. Kbis) ersetzen. An dessen Stelle tritt die vom Nationalen Institut für Statistik und Wirtschaftsstudien (INSEE) vergebene einheitliche Unternehmens-Identifikationsnummer, die sogenannte SIREN-Nummer. Diese einmalig zugeteilte Nummer dient der französischen Verwaltung bei der Bearbeitung von Anfragen oder Meldungen von Unternehmen durch den Abruf einer Datenbank auf der Internetseite annuaire-entreprises.data.gouv.fr. Dort können direkt alle erforderlichen Informationen eingeholt werden.
Allerdings hat die Zentralstelle für Formalitäten heute jedoch noch mit zahlreichen technischen Schwierigkeiten zu kämpfen, insbesondere im Zusammenhang mit der Hinterlegung von Jahresabschlüssen.
Um die auftretenden Funktionsstörungen des neuen Systems vorübergehend zu beheben, hat das französische Wirtschaftsministerium ein Notfallprogramm eingerichtet, das nach jetzigem Stand noch bis zum 30. Juni 2023 laufen wird. Der Plattform Infogreffe sowie den Zentren für Unternehmensformalitäten wurde teilweise gestattet, ihre Dienstleistungen in diesem Zusammenhang wieder anzubieten, um den Schwachstellen und Fehlfunktionen der Zentralstelle für Formalitäten begegnen zu können. So kann ein Großteil der Formalitäten für Gesellschaftsänderungen wieder durchgeführt werden. Davon ausgenommen sind allerdings die Formalitäten für die Gesellschaftsgründung sowie die Löschung von Unternehmen aus dem französischen Handelsregister.
Das Notfallprogramm sieht auch die Möglichkeit vor, den Jahresabschluss in Papierform zu hinterlegen.
Wir verfolgen die weitere Entwicklung der neuen Plattform und sind in regelmäßigem Austausch mit den zuständigen Behörden und Handelsregistern, um uns über die ständig ändernden Lösungsansätze zu informieren.
In dieser komplizierten Zeit begleitet das Team Corporate von GGV sie gerne und berät kompetent zu den jeweiligen rechtlichen Lösungen und entsprechenden Formalitäten.
CORPORATE – KURZMELDUNG – Feststellung des Jahresabschlusses
Die jährliche Kampagne zur Feststellung des Jahresabschlusses von Handelsgesellschaften, die ihr Geschäftsjahr zum 31. Dezember 2022 abschließen, hat offiziell begonnen. Der Jahresabschluss muss spätestens am 30. Juni 2023 von der Gesellschafterversammlung bzw. dem Alleingesellschafter festgestellt werden. In diesem Rahmen muss die Geschäftsleitung, sofern das Gesetz keine Ausnahme hiervon vorsieht, einen Geschäftsbericht erstellen.
Zur Info: Kleinunternehmen sind von der Erstellung eines Geschäftsberichts befreit, wenn sie zum Ende des Geschäftsjahres zwei der drei folgenden Schwellenwerte nicht überschritten haben:
- Bilanzsumme: 6 Millionen Euro;
- Nettoumsatz: 12 Millionen Euro;
- durchschnittliche Anzahl der Arbeitnehmer während des Geschäftsjahres: 50.
Diese Befreiung gilt insbesondere nicht für Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, Gesellschaften, deren Tätigkeit in der Verwaltung von Aktien oder Wertpapieren besteht (z.B. Holdinggesellschaften) oder Gesellschaften, deren Gesellschaftsvertrag bzw. Satzung eine entsprechende Bestimmung zur Erstellung eines Geschäftsberichts vorsieht, es sei denn, die entsprechende Regelung verweist auf die gesetzlichen Bestimmungen. Um von dieser Pflicht befreit werden zu können, ist zuvor eine Änderung des Gesellschaftsvertrages bzw. der Satzung erforderlich.
Im Rahmen der Feststellung des Jahresabschlusses können zudem weitere Tagesordnungspunkte mitaufgenommen werden, die sich auf die Tätigkeit der Gesellschaft oder auf deren Struktur beziehen.
HANDELSRECHT - Das „Descrozaille“-Gesetz („Egalim 3“): Neue Regeln zwischen Lieferanten und Käufern
Das Gesetz Nr. 2023-221 vom 30. März 2023 zur Stärkung des Gleichgewichts in den Geschäftsbeziehungen zwischen Lieferanten und Käufern – nach dem Abgeordneten, der dieses Gesetz vorgeschlagen hat, auch „Descrozaille“-Gesetz genannt – ändert abermals die zwischen Lieferanten und Käufern geltenden Regeln, insbesondere für sogenannte produits de grande consommation (d. h. nicht nachhaltige Produkte mit hoher und wiederkehrender Konsumfrequenz, nachfolgend kurz „PGC“).
Zahlreiche Regeln des französischen Rechts, die auf Verträge zwischen Lieferanten und Käufern bzgl. in Frankreich vermarktete Produkte oder Dienstleistungen Anwendung finden, gelten jetzt zwingend. Die französischen Gerichte sind für die Anwendung dieser Regeln nunmehr unter Vorbehalt der Einhaltung der europarechtlichen Bestimmungen und der internationalen Verträge ausschließlich zuständig. Dies gilt unbeschadet einer Streitbeilegung durch Schlichtung. Der Gesetzgeber wollte auf diese Weise die europäischen Einkaufszentralen der Supermärkten den französischen Regelungen unterwerfen und gegen das Ausweichen in ausländische Rechtsordnungen vorgehen. Betroffen sind so unterschiedliche Regeln wie die Pflicht zur Übermittlung der allgemeinen Geschäftsbedingungen auf einem dauerhaften Datenträger, die Pflicht zum jährlichen Abschluss eines einzigen Vertrags, dessen Inhalts gesetzlich geregelt ist, oder auch die Regeln, die nachfolgend in diesem Artikel erwähnt werden.
Die Lieferanten haben jetzt eine verstärkte Stellung im Rahmen der schwierigen jährlichen Verhandlungen mit den Käufern. Das Descrozaille-Gesetz erlaubt nämlich Lieferanten versuchsweise für die Dauer von drei Jahren, die Geschäftsbeziehung mit einem Käufer zu kündigen, wenn die jährlichen Verhandlungen nicht zum Abschluss eines Vertrags innerhalb der festgelegten Frist geführt haben. Eine solche Kündigung stellt keine plötzliche und unerwartete Kündigung der Geschäftsbeziehungen dar, die im französischen Recht verboten ist. Alternativ kann der Lieferant die Frist für die Kündigung wahren, und der Preis wird unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Marktbedingungen festgesetzt. Die Parteien können auch den Mediator für die Geschäftsbeziehungen in der Landwirtschaft oder den Mediator für Unternehmen anrufen, um die während der Kündigungsfrist geltenden Modalitäten bestimmen zu lassen.
Das Descrozaille-Gesetz weitet unter anderem auch einige Pflichten auf alle PGC aus, die bisher nur für Lebensmittelprodukte galten.
Die Einschränkung für Sonderangebote, welche momentan nur für Lebensmittelprodukte gilt, wird ab dem 1. März 2024 und bis zum 15. April 2026 auf PGC ausgeweitet. Sonderangebote sind im Übrigen auf 34 % des Verbraucherpreise und 25 % der Verkäufe beschränkt.
Das nur für manche sogenannte geschützte Lebensmittelprodukte geltende Diskriminierungsverbot wird jetzt auch auf PGC ausgeweitet.
Das Descrozaille-Gesetz sieht im Hinblick auf PGC auch die Ausweitung der Pflicht vor, alle gegenseitigen Pflichten der Parteien mit dem jeweiligen Einzelpreis im jährlich abzuschließenden einzigen Vertrag nach dem Prinzip der „zeilenweisen“ Auflistung zu erwähnen.
Das Gesetz führt darüber hinaus eine Obergrenze für Vertragsstrafen in Höhe von 2 % des Wertes der bestellten Produkte ein. Diese Obergrenze betrifft nicht nur sogenannte pénalités logistiques (Vertragsstrafen in Verbindung mit den Bedingungen für die Lieferung der Ware), sondern auch alle Vertragsstrafen für Vertragsverletzungen. Das neue Gesetz führt angesichts der Bedeutung der Bedingungen für die Lieferung der Waren in der Beziehung zwischen Lieferanten und Käufern einen von dem jährlichen einzigen Vertrag getrennten Vertrag für die gegenseitigen Verpflichtungen der Parteien bezüglich der Lieferung der Waren ein. Dieser ist von der für die jährlichen Verhandlungen geltenden Frist am 1. März nicht betroffen.
Es ist unbedingt erforderlich, sich vor der jährlichen Verhandlung für 2024 über die Änderungen durch das Descrozaille-Gesetz („Egalim 3“) zu informieren, wenn Waren oder Dienstleistungen in Frankreich vermarktet werden. Dies gilt auch dann, wenn der Vertrag die Anwendung eines anderen Rechts als des französischen Rechts vorsieht.
HANDELSRECHT – KURZMELDUNG – Die französische Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung ist berechtigt, eine digitale Plattform auszulisten, deren Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist
Die französische Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) kann digitale Plattformen, deren Inhalte offensichtlich rechtswidrig sind, auslisten. Dies bestätigte der Verfassungsrat in seiner Entscheidung vom 21. Oktober 2022.
Verfassungsrat (Conseil constitutionnel), 21. Oktober 2022, Nr. 2022-1016 QPC
Es sei daran erinnert, dass Artikel L. 521-3-1 2° a) des französischen Verbraucherschutzgesetzes die DGCCRF ermächtigt, die Auslistung einer digitalen Plattform anzuordnen, wenn deren Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist.
Die Verfassungsmäßigkeit dieses Artikels war vor dem Obersten Verwaltungsgerichtshof in einem das Unternehmen ContextLogic Inc. betreffenden Fall angezweifelt worden, das die digitale Plattform Wish betreibt und Gegenstand einer Auslistungsentscheidung der DGCCRF war. ContextLogic Inc. war nämlich der Ansicht, dass diese Bestimmung die Meinungs-, die Rede- und die unternehmerische Freiheit übermäßig einschränkt (siehe unseren Artikel zu diesem Thema).
Der Oberste Verwaltungsgerichtshof hatte daraufhin entschieden, die Verfassungsmäßigkeit im Wege einer Vorrangigen Vorlage (QPC) an den Verfassungsrat prüfen zu lassen.
Mit einer Entscheidung vom 21. Oktober 2022 bestätigte der Verfassungsrat, dass Artikel L. 521-3-1 2° a) des Verbraucherschutzgesetzes verfassungskonform ist. Diese Entscheidung bestätigt somit den Umfang der Sanktionsmöglichkeiten der DGCCRF, die die Auslistung einer digitalen Plattform anordnen kann, deren Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist.
HANDELSRECHT – Plötzliche und unerwartete Kündigung der Geschäftsbeziehungen: Während der Kündigungsfrist geltende Modalitäten
Geschäftspartner müssen vor jeder Kündigung einer bestehenden Geschäftsbeziehung eine Kündigungsfrist einhalten, die insbesondere die Dauer der Geschäftsbeziehung berücksichtigt. Die Geschäftsbeziehung wird bis zum Ablauf der Kündigungsfrist weitergeführt, und es stellt sich die Frage der während dieser Zeit anwendbaren handelsrechtlichen Bedingungen.
Der Kassationshof hat auf diese Frage vor kurzem im Hinblick auf Fallgestaltungen geantwortet, in denen die Bedingungen der Geschäftsbeziehung jährlich verhandelt werden.
In einem Urteil des 7. Dezember 2022, Nr. 19-22.538 (im Anzeiger des Kassationshofs veröffentlicht), führt der Kassationshof aus, dass „wenn die Bedingungen der bestehenden Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien jährlich verhandelt werden, stellen die vor Ablauf der Kündigungsfrist eingeführten Änderungen, die nicht so wesentlich sind, dass sie die Wirksamkeit der Pflicht zur Einhaltung einer Kündigungsfrist beeinträchtigen, keine plötzliche und unerwartete Kündigung [der Geschäftsbeziehung] dar“.
So stellt eine Änderung bezüglich der Beschaffung von Waren zu denselben Preisbedingungen, hier die Pflicht, bei einem Großhändler zu bestellen anstatt eines Direktbezugs beim Hersteller, keine wesentliche Änderung der Geschäftsbeziehung dar, die vor Ablauf der Kündigungsfrist unstatthaft wäre.
Der Kassationshof nimmt (aus Beweisgründen) jedoch nicht zu der Frage Stellung, ob es zulässig ist, die zuvor zugestandenen Rabatte vor Ablauf der Kündigungsfrist zu verringern.
Dieses Urteil stimmt mit der bisherigen Rechtsprechung überein, die außer im speziellen Fall jährlich stattfindender Verhandlungen jegliche wesentliche Änderung der Geschäftsbeziehung ablehnt (siehe zum Beispiel Com. 24 Juni 2020 18-25.517).
Das gerade erst vom Parlament verabschiedete sogenannte Descrozaille-Gesetz, auch „Egalim 3“ genannt, wird diese Regeln nochmals ändern und Lieferanten erlauben, die Geschäftsbeziehung mit einem Händler ohne Kündigungsfrist zu beenden, wenn zum 1. März noch keine jährliche Vereinbarung getroffen wurde.
Falls sich die Kündigung einer Geschäftsbeziehung mit einem langjährigen Geschäftspartner abzeichnet, ist es immer wichtig, die Rechte und Pflichten der Parteien vor Ablauf der Kündigungsfrist zu kennen.
HANDELSRECHT - Zwischenstand: drei Jahre nach Verabschiedung des AGEC-Gesetzes
Das vor drei Jahren verabschiedete Gesetz gegen Verschwendung und zur Förderung einer Kreislaufwirtschaft Nr. 2020-105 vom 10. Februar 2020 (AGEC-Gesetz), das bereits in einem anderen unserer Artikel erwähnt wurde, hat eine Reihe von Regelungen geschaffen, die die Umweltauswirkungen von Produkten verringern und die Verbraucher besser informieren sollen. Wir geben hier einen Überblick über einige dieser Vorschriften.
- Verpflichtung zur Anbringung des Triman-Logos
Unternehmen, die Produkte in Verkehr bringen, die unter einen Sektor der erweiterten Herstellerverantwortung (Extended Product Responsibility, EPR), kurz „EPR-Sektor“, fallen, mit Ausnahme von Haushaltsgetränkeverpackungen aus Glas, sind verpflichtet, ein sogenanntes Triman-Logo und Anweisungen für die Mülltrennung auf ihren Produkten und Verpackungen anzubringen. Die EPR-Sektoren sind in Artikel L. 541-10-1 des französischen Umweltgesetzbuchs aufgeführt und umfassen beispielsweise unter bestimmten Voraussetzungen Elektro- und Elektronikgeräte oder Verpackungen.
Die Frist für die Umsetzung dieser Verpflichtung und für den Abverkauf der vorhandenen Bestände hängt vom jeweiligen EPR-Sektor ab. Für die meisten Haushaltsverpackungen endete die Frist für den Abverkauf der Bestände am 9. März 2023.
Das Triman-Logo könnte zur Disposition stehen, da es Gegenstand eines Aufforderungsschreibens der Europäischen Kommission ist. Die Kommission wirft Frankreich nämlich vor, es nicht vor der Verabschiedung des AGEC-Gesetzes im Jahr 2020 angemeldet und keine ausreichende Verhältnismäßigkeitsprüfung dieser Maßnahme im Hinblick auf den Grundsatz des freien Warenverkehrs vorgenommen zu haben. Es muss jedoch betont werden, dass das Triman-Logo in Frankreich in Kraft bleibt, solange keine Entscheidung über die Übereinstimmung mit dem EU-Recht getroffen wurde, was sich noch mehrere Jahre hinziehen kann.
- Verpflichtung zur Mitgliedschaft in einem éco-organisme
Das AGEC-Gesetz hat den Anwendungsbereich der EPR durch die Schaffung neuer EPR-Sektoren erweitert. Beispielsweise wurde der EPR-Sektor für Hersteller von Verpackungen, die der Vermarktung von Produkten dienen, welche von in der Gastronomie tätigen Gewerbetreibenden verbraucht oder verwendet werden, kürzlich durch ein Dekret Nr. 2023-162 vom 7. März 2023 eingerichtet.
Es wird daran erinnert, dass sich alle Hersteller oder Inverkehrbringer der betreffenden Produkte in Frankreich bei einem sogenannten éco-organisme (privatwirtschaftliches Unternehmen, das die Pflichten der Hersteller und Inverkehrbringer gegen Zahlung einer Gebühr übernimmt) anmelden oder die Sammlung und Behandlung von Abfall selbst übernehmen müssen, und zwar sowohl für Produkte, die unter die bereits bestehenden EPR-Sektoren, als auch für solche, die unter die neuen EPR-Sektoren fallen. Diese Verpflichtung gilt selbst für Hersteller oder Inverkehrbringer, die über keine Betriebsstätte in Frankreich verfügen.
Nach entsprechender Mahnung zögern einige éco-organismes nicht, Hersteller oder Inverkehrbringer zu verklagen, die sich weigern, die Vorschriften umzusetzen.
- Nationales Label gegen Lebensmittelabfälle
Ein nationales Label gegen Lebensmittelabfälle wird derzeit eingeführt. Das Label wird aufgrund einer Bewertung durch eine Zertifizierungsstelle auf der Grundlage eines Bezugsrahmens vergeben. Der Bezugsrahmen für den Vertriebssektor (kleine, mittlere und große Supermärkte, Großhändler und Lebensmittelhandel) wurde erst kürzlich, nämlich am 28. Februar 2023 von der Regierung genehmigt. Ein französische Supermarktkette hat vor kurzem als Erste das nationale Label erhalten.
- Umweltanzeige für Verbraucher
Die Umweltanzeige zielt darauf ab, den Verbrauchern den ökologischen Fußabdruck eines Produkts oder einer Dienstleistung anzuzeigen, z. B. durch einen entsprechenden Hinweis auf der Verpackung. Diese Umweltanzeige ist derzeit freiwillig, kann aber für bestimmte Kategorien von Waren und Dienstleistungen verpflichtend werden. Eine öffentliche Konsultation zu den Modalitäten dieser Umweltanzeige im Hinblick auf eine Anwendung auf alle Sektoren wurde am 10. März 2023 abgeschlossen.
- Einführung von Pfandsystemen für Recycling oder Wiederverwendung
Das AGEC-Gesetz hatte vorgesehen, eine Debatte über die Einführung von Pfandsystemen für Recycling oder Wiederverwendung durchzuführen. Der französische Senat bedauerte jedoch in einer Pressemitteilung vom 7. März 2023, dass die Regierung beschloss, die Diskussion mit den Interessengruppen zu beginnen, ohne die Bilanz der Agentur für Umwelt und Energiemanagement (Ademe) abzuwarten, obwohl dies im AGEC-Gesetz vorgesehen war.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die schrittweise Anwendung der Bestimmungen des AGEC-Gesetzes ständig im Auge behalten werden muss!
HANDELSRECHT - KURZMELDUNG - Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Rahmen von Vertriebsverträgen
In einem Urteil vom 19.01.2023 (Rechtssache C-680/20, Unilever Italia Mkt. Operations Srl c/ Autorità Garante della Concurenza e del Mercato) hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) entschieden, dass das Verhalten der Vertriebshändler eines Herstellers in marktbeherrschender Stellung gegenüber den Betreibern von Verkaufsstellen unter bestimmten Voraussetzungen dem Hersteller zugerechnet werden kann.
Das Unternehmen Unilever stellt unter anderem Speiseeis der Marken „Algida“ und „Carte d’Or“ her. Diese Eissorten werden in Einzelverpackungen über ein Netz von 150 Vertriebshändlern vermarktet, die das Eis ihrerseits an Betreiber von Verkaufsstellen weiterverkaufen.
Die italienische Wettbewerbsbehörde (AGCM) interessierte sich insbesondere für den Umstand, dass nicht Unilever selbst, sondern die Vertriebshändler von Unilever den Verkaufsstellenbetreibern Ausschließlichkeitsklauseln auferlegt hatten. Die AGCM war der Ansicht, dass Unilever und seine Vertriebshändler eine wirtschaftliche Einheit bildeten und Unilever seine beherrschende Stellung auf dem betreffenden Markt missbraucht habe.
Die Frage an den EuGH lautete, ob Art. 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV), der sich auf den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung bezieht, dahingehend auszulegen ist, dass das Verhalten von Vertriebshändlern, die Teil des Vertriebsnetzes eines Herstellers in beherrschender Stellung sind, diesem Hersteller zugerechnet werden können und, wenn ja, unter welchen Voraussetzungen.
Der EuGH vertritt die Auffassung, dass das Verhalten von Vertriebshändlern einem Hersteller in beherrschender Stellung zugerechnet werden kann, wenn feststeht, dass dieses Verhalten von den Vertriebshändlern nicht selbständig angenommen wurde, sondern Teil einer einseitig von diesem Hersteller beschlossenen und mittels dieser Vertriebshändler umgesetzten Politik ist.
In einem solchen Fall sind nämlich die Vertriebshändler und folglich auch das Vertriebsnetz, das sie mit diesem Unternehmen bilden, als bloßes „Instrument zur territorialen Verbreitung“ der Geschäftspolitik dieses Unternehmens und damit als Instrument anzusehen, mit dem die fragliche Verdrängungspraxis gegebenenfalls umgesetzt wurde.
Konkret hatte Unilever seinen Vertriebshändlern vollständig vorformulierte Standardverträge zur Verfügung gestellt, die die fraglichen Ausschließlichkeitsklauseln enthielten. Die Vertriebshändler mussten diese Standardverträge von den Betreibern der Verkaufsstellen unterzeichnen lassen, ohne sie ändern zu können, es sei denn mit ausdrücklicher Zustimmung dieses Herstellers.
Die Anwendung dieser EuGH-Entscheidung geht über reine Vertriebsnetze hinaus, denn sie betrifft auch Franchising-, Outsourcing- oder Subunternehmerdienstleistungen bestimmter Vertriebsphasen, die ebenfalls unter Art. 102 AEUV fallen können.
Dieses Urteil ist ein anschauliches Beispiel dafür, dass die Überprüfung der Vereinbarkeit der Praktiken eines Unternehmens mit dem Wettbewerbsrecht nicht nur die vertraglichen Beziehungen des Unternehmens betrifft, sondern auch darüber hinausgehen kann.
ARBEITSRECHT – Jahresarbeitszeit in Tagen: Notwendigkeit einer effektiven und regelmäßigen Kontrolle der Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers
In einem Urteil vom 14.12.2022 hat der Kassationshof erneut betont, wie wichtig es für den Arbeitgeber ist, den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, die eine Jahresarbeitszeit in Tagen vereinbart haben. Er erinnerte in der Tat daran, dass die Kollektivvereinbarung, die die Jahresarbeitszeit in Tagen vorsieht, Bestimmungen enthalten muss, die sicherstellen, dass angemessene Arbeitszeiten sowie die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten eingehalten werden.
Cass. soc. 14.12.2022, Nr. 20-20.572 FS-B
Anlässlich der Anfechtung, durch einen Arbeitnehmer der Gültigkeit seiner individuellen Vereinbarung über die Jahresarbeitszeit in Tagen, hat der Kassationshof daran erinnert, dass jede individuelle Vereinbarung über die Jahresarbeitszeit in Tagen von einer Kollektivvereinbarung (Branchentarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) vorgesehen sein muss, deren Bestimmungen die Einhaltung angemessener Arbeitszeiten sowie der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten sicherstellen. Anderenfalls ist die individuelle Vereinbarung nichtig, und der Arbeitnehmer kann insbesondere Zahlung von Überstunden auf der Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden verlangen, wobei die Verjährungsfrist drei Jahre beträgt.
Der Kassationshof hat die Bestimmungen eines Branchentarifvertrags über die Art und Weise der Kontrolle von Arbeitnehmern mit einer Jahresarbeitszeit in Tagen, die die üblichen Kontrollmodalitäten vorsehen (u.a. die monatliche Erfassung der gearbeiteten Tage und der Ruhetage durch den Arbeitnehmer und deren Prüfung durch den Arbeitgeber), für unzureichend befunden.
Der Kassationshof war in der Tat der Ansicht, dass der angefochtene Branchentarifvertrag, „ohne, dass er eine effektive und regelmäßige Kontrolle einführt, die es dem Arbeitgeber ermöglicht, rechtzeitig Maßnahmen zur Beseitigung einer Arbeitsbelastung zu schaffen, die nicht mit einer angemessenen Arbeitsdauer vereinbar ist, nicht geeignet ist, zu gewährleisten, dass die Arbeitsdauer und die Arbeitsbelastung angemessen bleiben, und eine gute zeitliche Verteilung der Arbeit des Betroffenen sicherzustellen.“
Es reicht demnach nicht aus, dass der Arbeitgeber die Bestimmungen von Artikel L.3121-60 des frz. Arbeitsgesetzbuches beachtet, der bestimmt, dass „der Arbeitgeber regelmäßig sicherstellt, dass die Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers angemessen ist und eine gute zeitliche Verteilung der Arbeit ermöglicht.“
Damit eine individuelle Vereinbarung der Jahresarbeitszeit in Tagen gültig ist, muss die Kollektivvereinbarung zusätzlich Bestimmungen enthalten, die eine effektive und regelmäßige Kontrolle der Arbeitsbelastung vorsehen.
Empfehlung von GGV: Um die finanziellen Risiken, die mit der Nichtigkeit von individuellen Jahresarbeitszeitvereinbarungen einhergehen, zu reduzieren, raten wir den Unternehmen, zu überprüfen, ob die Kollektivvereinbarung, die die Jahresarbeitszeit in Tagen vorsieht, den Anforderungen der Bestimmungen des Arbeitsgesetzbuches und der Rechtsprechung des Kassationshofes genügt. Im Falle von Lücken im Branchentarifvertrag muss die Einführung einer Betriebsvereinbarung in Betracht gezogen werden. Im Falle einer nicht konformen Betriebsvereinbarung ist der Abschluss eines Nachtrages zur Vereinbarung erforderlich.
ARBEITSRECHT – Die Drohung, Anzeige gegen den Arbeitgeber zu erstatten, kann eine Disziplinarkündigung des Arbeitnehmers begründen, wenn er versucht hat, damit seinen Arbeitgeber einzuschüchtern
Mit einem Urteil vom 07.12.2022 hat der Kassationshof die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts zurückgewiesen, das entschieden hatte, dass die Entlassung eines Arbeitnehmers, der seinem Arbeitgeber mit der Erstattung einer Anzeige gedroht hat, begründet ist, da der Arbeitnehmer sein Klagerecht missbraucht hatte, indem er es zur Einschüchterung genutzt hat.
Cass. soc., 07.12.2022, Nr. 21-19.280 F-D
Da das Recht auf Klage eine der Grundfreiheiten ist, steht es jedem Arbeitnehmer frei, gegen seinen Arbeitgeber Klage zu erheben oder gegen ihn als Zeuge vor Gericht auszusagen. Deshalb ist eine aus diesem Grund ausgesprochene Kündigung nichtig. Dasselbe gilt, wenn mit der Kündigung eine mögliche Klage sanktioniert wird.
Im vorliegenden Fall wurde ein Arbeitnehmer wegen schweren Fehlverhaltens entlassen, da er seinem Vorgesetzten mit der Erstattung einer Anzeige bei der Polizei gedroht hatte. Dieselbe Drohung hatte er bereits zwei Jahre zuvor geäußert.
Der Kassationshof bestätigte die Einschätzung des Berufungsgerichts, dass „die Äußerung des Arbeitnehmers, er wolle Anzeige gegen seinen Arbeitgeber erstatten, nicht auf einem authentischen Willen, Klage zur erheben, beruht“, und war der Ansicht, dass die vom Arbeitnehmer geäußerte Drohung einen Missbrauch seines Rechts auf Klage darstelle, da die Äußerung in einem „allgemeinen Zusammenhang von Drohungen gegen seine Kollegen und Vorgesetzten“ erfolgte, sowie in „im Rahmen einer Einschüchterungslogik, die der Arbeitnehmer bereits in der Vergangenheit benutzt aber die damit zusammenhängende Drohung nicht in die Tat umgesetzt hatte.“
Es ist jedoch Vorsicht geboten. Das Gericht stützte sich bei der Feststellung des Missbrauchs dieses Rechts insbesondere auf Tatsachen, die sich aus den besonderen Umständen des Falles ergeben: Der Arbeitnehmer hatte die Drohungen wiederholt ausgesprochen, diese jedoch nie wahrgemacht, und die Drohungen waren Teil einer Einschüchterungslogik, die den bösen Willen des Arbeitnehmers belegten.
Empfehlung von GGV: Vor der Entlassung eines Arbeitnehmers aus disziplinarischen Gründen, der mit einer Klage oder Anzeige droht, muss der Arbeitgeber nicht nur den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Sanktion beachten, sondern auch sicherstellen, dass er über genügend Beweise für die Böswilligkeit des Arbeitnehmers verfügt, um das Risiko, dass die Kündigung als nichtig erachtet wird, so gering wie möglich zu halten.
ARBEITSRECHT – KURZMELDUNG – Informationspflichten der Arbeitgeber
Mit dem am 28.02.2023 verabschiedeten Gesetz Nr. 2023-171 hat Frankreich die EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU umgesetzt. Das Gesetz verpflichtet Arbeitgeber unter anderem, ihren Mitarbeitern bestimmte Informationen zur Verfügung zu stellen.
Beim Abschluss eines Arbeitsvertrags sind Arbeitgeber nach Art. L. 1221-5-1 des französischen Arbeitsgesetzbuchs (Code du travail) angehalten, den Arbeitnehmern bestimmte Informationen über ihr Arbeitsverhältnis zur Verfügung zu stellen. Die Liste der Informationen, die Arbeitnehmer bei ihrer Einstellung schriftlich erhalten sollen, wurde mit der Gesetzesänderung erweitert. Der Inhalt der Liste wird noch in einer Durchführungsverordnung präzisiert werden, die jedoch noch nicht veröffentlicht wurde. Die neuen Informationspflichten werden erst nach der Veröffentlichung in Kraft treten.
Das Gesetz sieht vor, dass Mitarbeiter, die diese Informationen nicht erhalten haben, sich an das zuständige Gericht wenden können, nachdem sie ihren Arbeitgeber erfolglos dazu aufgefordert haben, die erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.
Darüber hinaus können Mitarbeiter, die bereits in einem Arbeitsverhältnis stehen, von ihrem Arbeitgeber verlangen, dass er ihnen die neuen Informationen zukommen lässt oder die bereits vorhandenen Informationen vervollständigt.
Der französischen Gesetzgeber hat das Gesetz zum Anlass genommen, weitere Änderungen des Arbeitsgesetzbuchs vorzunehmen. So ist insbesondere vorgesehen, dass Mitarbeiter, die seit mindestens sechs Monaten befristet oder als Zeitarbeitnehmer beschäftigt sind, auf ihre Anfrage hin über freiwerdende unbefristete Stellen informiert werden müssen.
ARBEITSRECHT – KURZMELDUNG – Erleichterungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich
Die Verordnung Nr. 2023-185 vom 17.03.2023 hat mit Wirkung zum 30.03.2023 zu Erleichterungen bei der Entsendung von Arbeitnehmern nach Frankreich geführt. Der Inhalt der Vorab-Entsendemeldung wurden geändert und die Anzahl der Dokumente, die im Falle einer Kontrolle vorgelegt werden müssen, reduziert.
In der Meldung, die vor jeder Entsendung auf der Plattform SIPSI der französischen Regierung abgegeben werden muss, müssen künftig nicht mehr angegeben werden: die Art von gefährlichen Materialien oder Verfahren, die während der Entsendung benutzt werden, das Datum der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags des entsandten Arbeitnehmers, der Beginn und das Ende des Arbeitstages und die Uhrzeit und die Dauer der Pausen des entsandten Arbeitnehmers sowie die Modalitäten der Übernahmen von Kosten für Reisen, Verpflegung und Unterkunft durch den Arbeitgeber.
Die Liste der Dokumente, die der ausländische Arbeitgeber aufbewahren und für die Arbeitsaufsichtsbehörde vorhalten muss, enthält nicht mehr die Dokumente, die das auf den Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und seinem in Frankreich ansässigen oder tätigen Vertragspartner anwendbare Recht, die Anzahl der Verträge und den Umsatz, den der Arbeitgeber in dem Land seiner Niederlassung und auf dem französischen Staatsgebiet durchgeführt bzw. erzielt hat, belegen.
COMPLIANCE - Unternehmenstransaktionen: die Herausforderungen bei der Überprüfung von Compliance-Programmen
Im Rahmen von Unternehmensverschmelzungen und -erwerben kann die Überprüfung der Existenz und der Robustheit der Compliance-Systeme des Zielunternehmens dazu beitragen, die finanziellen, rechtlichen und operativen Risiken sowie Reputationsrisiken besser einschätzen zu können.
Eine M&A-Transaktion ist immer mit Risiken verbunden, da sie Unsicherheiten mit sich bringt. Eine gute Kenntnis der Zielgesellschaft ermöglicht es, die Risiken einer Transaktion zu bewerten und die Einhaltung der geltenden Gesetze, beispielsweise zur Korruptionsbekämpfung oder betreffend Sorgfaltspflichten, gewährleisten zu können.
Warum sollten die Compliance-Programme bei einer Fusion oder Übernahme überprüft werden?
Aus finanzieller Sicht ermöglicht die Überprüfung bestehender Compliance-Programme nicht nur, das Risiko von Sanktionen und daraus eventuell resultierenden internen Untersuchungen zu antizipieren, sondern auch die Kosten für die Aktualisierung des Compliance-Programms der Zielgesellschaft nach der Transaktion und die Amortisierung der Investition einschätzen zu können. Die bestehenden Risiken können zudem die Verhandlungen über den Preis der Transaktion beeinflussen. Darüber hinaus können die durchgeführten Überprüfungen dem Käufer helfen, das Risiko einer verwaltungs-, zivil- oder, je nach Rechtsprechung, strafrechtlichen Haftung besser zu bewerten. Schließlich können die Überprüfungen auch dazu führen, dass die Transaktion nicht durchgeführt wird, wenn die Risiken zu hoch sind.
In welchem Stadium sollten Compliance-Programme überprüft werden?
Die Überprüfungen können in verschiedenen Phasen der Transaktion durchgeführt werden. Zunächst können Überprüfungen vor dem Vertragsabschluss (Signing) stattfinden, um erste Analysen durchzuführen, beispielsweise über die Aktivitäten und das wirtschaftliche Umfeld oder die wichtigsten Dritten. In diesem Stadium ist es oft schwierig, alle notwendigen Informationen zu erhalten, da der Verkäufer sich weigern kann, diese zur Verfügung zu stellen. Die Analyse der Zielgesellschaft kann zwischen dem Signing und der Unterzeichnung der Abschlussdokumente (Closing) vertieft werden, um beispielsweise die risikoreichsten Dritten im Rahmen der Risikoanalyse zu identifizieren. Nach Abschluss der Transaktion und unabhängig von der Tiefe der Analyse, die im Vorfeld durchgeführt wurde, müssen weitere Überprüfungen durchgeführt werden, um die Zielgesellschaft durch ein Audit in das Compliance-System der erwerbenden oder übernehmenden Gesellschaft zu integrieren.
Zwei aktuelle Beispiele zur Bedeutung der Compliance Due Diligence
In Frankreich verlangt Artikel 17 des Sapin II-Gesetzes im Bereich der Korruptionsbekämpfung von den Unternehmen, die diesem Gesetz unterliegen, die Einrichtung eines Systems zur Prävention und Aufdeckung von Korruption, nicht aber die Überprüfung der Zielgesellschaften. Seit einem Urteil vom 25.11.2020 kann eine übernehmende Gesellschaft im Falle einer Transaktion zwischen Aktiengesellschaften oder vereinfachten Aktiengesellschaften strafrechtlich zu einer Geldstrafe verurteilt werden oder ihr gegenüber eine Einziehung von Unternehmenswerten verhängt werden für Handlungen, die von der übernommenen Gesellschaft vor der Fusion oder Übernahme begangen wurden.
In Deutschland verpflichtet das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) Unternehmen seit dem 01.01. 2023, Risiken von Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden zu verhindern und zu minimieren. Bei Verstößen gegen das LkSG können Unternehmen mit Sanktionen in Höhe von bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes belegt werden. Im Falle des Erwerbs einer Zielgesellschaft gelten die Verpflichtungen aus dem LkSG ab dem Zeitpunkt des Erwerbs.
Empfehlung von GGV: Die Kenntnis der Zielgesellschaft ist unerlässlich, wenn eine Transaktion geplant ist. Unser Compliance-Team verfügt über das notwendige Know-how zur Durchführung von Due Diligence-Prüfungen im Hinblick auf die Compliance-Programme der Zielgesellschaft.
COMPLIANCE - Erste Entscheidung zur Sorgfaltspflicht in Frankreich
Am 28.02.2023 erließ das Tribunal Judiciaire de Paris im Eilverfahren eine erste Entscheidung über die Anwendung des französischen Sorgfaltspflichtengesetzes Devoir de vigilance.
In Frankreich verpflichtet das Sorgfaltsplichtengesetz vom 27.03. 2017 bestimmte große Unternehmen, Risiken für die Menschenrechte, die Umwelt, die Gesundheit und die Sicherheit von Personen zu verhindern und zu minimieren. Zu diesem Zweck sind die Unternehmen verpflichtet, angemessene Maßnahmen zu ergreifen und einen entsprechenden Sorgfaltsplan (plan de vigilance) zu erstellen und umzusetzen. Mehrere Verbände forderten das Gericht auf, TotalEnergies zur Erstellung eines solchen gesetzeskonformen Sorgfaltsplans zu verpflichten. Sie forderten außerdem, dass die Arbeiten an den Ölprojekten Tilenga und EACO in Uganda und Tansania vorläufig eingestellt werden. Das Gericht wies die Anträge der Verbände als unzulässig zurück und erklärte sich für unzuständig, den Rechtsstreit im Eilverfahren zu entscheiden.
Bemerkenswert ist zunächst, dass das Gericht an den Wortlaut des Gesetzes erinnert, demzufolge der Sorgfaltsplan in Zusammenarbeit mit den Stakeholdern der Gesellschaft erstellt werden soll. Daraus leitet es ab, dass der Sorgfaltsplan im Rahmen eines Dialogs gemeinsam ausgearbeitet werden muss, um den Umfang der Sorgfaltspflichtpflichten bestmöglich zu bestimmen und das Risiko von Rechtsstreitigkeiten zu verringern. Nach Ansicht des Gerichts ist dieser kooperative Prozess eng mit dem Mechanismus der Beschwerde (mise en demeure) verbunden, durch welche Unternehmen zur Einhaltung der Pflichten nach dem Gesetz aufgefordert werden und die vor jeder Anrufung des Gerichts erfolgen muss. In diesem Zusammenhang wirft es den Verbänden vor, TotalEnergies nicht regelmäßig zur Einhaltung des Gesetzes aufgefordert zu haben. Es vertritt die Auffassung, dass sich die dem Gericht vorgelegten Forderungen von den 2019 an TotalEnergies versandten Beschwerden unterscheiden, und die zum Sorgfaltsplan 2021 vorgebrachten Tatsachen nicht Gegenstand einer vorherigen Beschwerde gewesen sind.
Da TotalEnergies einen formell gültigen Sorgfaltsplan veröffentlicht hatte, gelangt das Gericht zu dem Ergebnis, dass dieser Sorgfaltsplan ausreichend detailliert war und nicht als summarisch angesehen werden kann.
Nicht überraschend ist, dass sich das Gericht im Eilverfahren für die Entscheidung in der Hauptsache für nicht zuständig hält, mit der Begründung, dass viele streitige Dokumente vorgelegt worden waren und es keine genauen Vorschriften gibt, die die Pflichten eines Unternehmens hinsichtlich der Erfüllung der Sorgfaltspflichten festlegen.
Darüber hinaus gibt es in Frankreich im Gegensatz zu Deutschland keine unabhängige Stelle, die die Anwendung des Gesetzes kontrolliert oder überwacht. Das Gericht beschränkt sich daher auf die Kontrolle der Angemessenheit der Sorgfaltsmaßnahmen, ein, wobei es sich um einen ungenauen, vagen und flexiblen Begriff handelt. Das Gericht weist außerdem darauf hin, dass die Durchführungsverordnung zum französischen Gesetz zur Sorgfaltspflicht noch nicht veröffentlicht wurde, obwohl diese den Inhalt der Sorgfaltspflichten näher ausgestalten sollte.
Da derzeit zahlreiche Gerichtsverfahren anhängig sind, ist wohl mit weiteren Entscheidungen dieser Art zu rechnen.
COMPLIANCE - Handreichung des BAFA zur Angemessenheit der Maßnahmen im Rahmen der Umsetzung des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes
Am 01.01.2023 ist das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft getreten. Im letzten Deutsch-Französischen Informationsbrief haben wir drei Leitfäden des für die Kontrolle der Anwendung des LkSG zuständigen Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zusammengefasst. Das BAFA hat kürzlich einen Leitfaden zur Angemessenheit der von den Unternehmen umgesetzten Maßnahmen veröffentlicht.
Das LkSG verpflichtet Unternehmen, die dem Gesetz unterliegen, Maßnahmen zu ergreifen, um menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorzubeugen oder sie zu verhindern oder um bereits eingetretene Verletzungen zu beenden. Gemäß § 3 Abs. 1 LkSG müssen diese Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachtet werden. In seiner neuesten „Handreichung zum Prinzip der Angemessenheit nach den Vorgaben des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes“ vertieft das BAFA den Begriff der Angemessenheit der Maßnahmen für jedes der Kriterien, die in § 3 Abs. 2 LkSG zur Definition der Angemessenheit vorgesehen sind.
Nach diesem Leitfaden bezieht sich das Kriterium der Art und des Umfangs der Geschäftstätigkeit auf die Größe des Unternehmens, seine regionale oder internationale Ausrichtung, die Beschaffenheit und Art seiner Produkte und Dienstleistungen, die Vielfalt seiner Leistungen und Geschäftsbeziehungen sowie die Anfälligkeit für das Auftreten von Risiken.
Das Einflussvermögen auf den unmittelbaren Verursacher, hängt unter anderem davon ab, ob das Risiko im eigenen Tätigkeitsbereich oder bei einem unmittelbaren oder mittelbaren Zulieferer auftritt.
Die Schwere der Menschenrechts- und Umweltverletzung, ihre Umkehrbarkeit sowie die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens berücksichtigt den Grad der Beeinträchtigung, die Anzahl der betroffenen Personen oder die Größe des betroffenen Umweltbereichs, die Umkehrbarkeit der Verletzung sowie die Wahrscheinlichkeit, dass ein Risiko zu einer Verletzung führt.
Die Art des Verursachungsbeitrags des Unternehmens zum Risiko einer Menschenrechts- oder Umweltverletzung hängt davon ab, ob das Unternehmen direkt oder indirekt zum Risiko beiträgt (allein oder zusammen mit anderen Akteuren im eigenen Geschäftsbereich oder indem es einem Dritten ermöglicht, tätig zu werden).
Das BAFA betont, dass diese Kriterien es ermöglichen, den Unterschieden zwischen Unternehmen hinsichtlich ihrer Ressourcen, Aktivitäten und Wertschöpfungsketten Rechnung zu tragen.
Tipp von GGV: Die Unternehmen haben einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung, wie sie die Sorgfaltspflichten umsetzen und welche Risiken sie priorisieren. Unser Compliance-Team berät Sie gerne bei der Einrichtung und Bewertung Ihres Risikomanagements.
IMMOBILIENRECHT - Der Eigentümer eines Grundstücks, das als klassifizierte Anlage zum Schutz der Umwelt (ICPE) betrieben wird, ist nur in eingeschränkten Fällen für Abfälle verantwortlich
In einem Urteil vom 18. Oktober 2022 bestätigte das Berufungsverwaltungsgericht Douai die ständige Rechtsprechung, wonach der Betreiber selbst im Falle einer Insolvenz im Rahmen der abfallrechtlichen Bestimmungen haftbar ist.
CAA Douai 18.10.2022, Nr. 21DA02096, Société OLC Activités
In diesem Fall vermietete eine zivilrechtliche Immobiliengesellschaft (SCI) ein Grundstück an eine Betreibergesellschaft, die dort eine sogenannte klassifizierte Anlage zum Schutz der Umwelt (ICPE) betrieb. Die Betreibergesellschaft befand sich sodann im gerichtlichen Liquidationsverfahren. Die Präfektin forderte die Eigentümergesellschaft daraufhin auf, die auf dem Gelände befindlichen und gefährliche Stoffe enthaltenden Fässer zu beseitigen und die Kosten für die Abfallbeseitigung zu hinterlegen.
Gemäß den Artikeln L. 541-2 und L. 541-3 des französischen Umweltgesetzbuchs ist nämlich „jeder Erzeuger und Besitzer von Abfällen“ für diese verantwortlich und ist bis zu ihrer Entsorgung für ihre Verwaltung zuständig. Wenn diese Abfälle entgegen diesen Bestimmungen zurückgelassen oder abgelagert werden, kann der Abfallerzeuger bzw. -besitzer angemahnt werden.
Die SCI reichte daraufhin eine Klage gegen den Erlass der Präfektin ein und machte geltend, dass sie nicht für die auf ihrem Grundstück von der Betreibergesellschaft produzierten Abfälle haftbar ist . Das Verwaltungsgericht Rouen wies die Klage ab. Die Eigentümergesellschaft legte daraufhin Berufung gegen diese Entscheidung ein.
Das Berufungsverwaltungsgericht Douai hob daraufhin sowohl das Urteil des erstinstanzlichen Verwaltungsgerichts als auch den Bescheid der Präfektin auf. Das Gericht stellte fest, dass „nur die Erzeuger oder sonstigen Besitzer von Abfällen gemäß den Artikeln L. 541-2 und L. 541-3 für die betreffenden Abfälle verantwortlich gemacht werden können. Daraus folgt, dass die Haftung des Grundstückseigentümers subsidiär ist und er nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn nachgewiesen wird, dass der Abfallbesitzer unbekannt ist.
Das Berufungsverwaltungsgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Präfektin die Betreibergesellschaft hätte in Verzug setzen müssen, da diese zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsbescheids noch existierte. Der Abfallbesitzer war in der Tat bekannt und existierte zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids und des verwaltungsgerichtlichen Urteils. Sie hörte erst später bei Abschluss des gerichtlichen Liquidationsverfahrens auf zu existieren.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Da die Betreibergesellschaft zum Zeitpunkt des Erlasses und des Urteils existierte, ist sie im Rahmen der abfallrechtlichen Bestimmungen haftbar. Da sie jedoch zahlungsunfähig war, war im vorliegenden Fall jedoch die DREAL (Regionaldirektion für Umwelt, Raumordnung und Wohnen) für die Abfallentsorgung und die Sanierung des Geländes zuständig. Der Eigentümer ist daher nur in begrenzten Fällen im Rahmen der abfallrechtlichen Bestimmungen haftbar (Nachlässigkeit bei der Abfallentsorgung auf seinem Grundstück und wenn der Betreiber des Standorts unbekannt ist).
GESUNDHEITSRECHT - Streichung von Kosmetik- und Tätowierungsprodukten aus der Liste der Gesundheitsprodukte ab dem 1. Januar 2024
Artikel 205 des Gesetzes Nr. 2022-1726 vom 30. Dezember 2022 über den Finanzplan für 2023 streicht zwei Produktkategorien aus der Liste der Gesundheitsprodukte in Artikel L. 5311-1 des französischen Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheitsfürsorge. Welche Folgen hat diese Änderung?
Ab dem 1. Januar 2024 werden Kosmetik- und Tätowierungsprodukte keine Gesundheitsprodukte im Sinne von Artikel L. 5311-1 des französischen Gesetzbuchs über die öffentliche Gesundheitsfürsorge mehr sein.
Die wichtigste Folge dieser Qualifikationsänderung ist, dass diese beiden Produktkategorien der Überwachung durch die französische Nationale Sicherheitsbehörde für Medikamente und Gesundheitsprodukte (ANSM) entzogen werden. Stattdessen werden sie von diesem Zeitpunkt an der Überwachung durch die Generaldirektion für Wettbewerb, Verbraucherschutz und Betrugsbekämpfung (DGCCRF) unterliegen. Die Nationale Behörde für Lebensmittelsicherheit (ANSES) ist hingegen weiterhin für die Überwachung dieser Produkte zuständig (insbesondere die Überwachung von Kosmetika).
Bis zum oben genannten Datum wird die ANSM weiterhin Entscheidungen, Maßnahmen und Anordnungen für diese beiden Produktkategorien treffen.
Die Regierung ist bis zum 31. Dezember 2023 ermächtigt, Verordnungen zu erlassen, um ein Zertifizierungssystem für Unternehmen einzuführen, die kosmetische Produkte herstellen. Sie kann auch mögliche Unstimmigkeiten im Gesetz klären, das zahlreiche Verweise auf bestehende gesetzliche Regelungen enthält.
Tipp von GGV: Wenn Sie sich über Ihre Pflichten im Zusammenhang mit Gesundheitsprodukten informieren möchten, kontaktieren Sie gerne GGV!
GESUNDHEITSRECHT - Der Gründer eines Schönheitszentrums wird wegen Beihilfe zur illegalen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit verurteilt
In einem Urteil vom 31. Januar 2023 bestätigte die Strafkammer des französischen Kassationshofs, dass es sich bei Kryolipolyse und Micro-Needling um medizinische Behandlungen handelt, und verurteilte den Gründer eines Schönheitszentrums wegen Beihilfe zur illegalen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit.
Crim. 31 Januar 2023, Nr. 22-83.399
Nachdem vier Patienten eines Schönheitszentrums durch Kryolipolyse- und Micro-Needling-Behandlungen, die von den Mitarbeitern des Zentrums durchgeführt worden waren, Verletzungen erlitten, erstatteten diese Strafanzeige. Das Berufungsgericht verurteilte die Geschäftsführerin des Schönheitszentrums wegen illegaler Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und den Gründer des Zentrums wegen Beihilfe. Der Gründer des Zentrums legte daraufhin gegen dieses Urteil Kassationsbeschwerde ein.
Dem französischen Kassationshof wurden zwei Fragen vorgelegt:
- Handelt es sich bei Kryolipolyse und Micro-Needling, die lediglich einem ästhetischen Zweck dienen, um medizinische Behandlungen, die ausschließlich Ärzten erlaubt sind?
- Kann der Gründer des Schönheitszentrums Mittäter der Straftat der illegalen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit sein?
Die Erweiterung des Begriffs der medizinischen Maßnahmen
Kryolipolyse und Micro-Needling sind nicht in der Liste der Ärzten vorbehaltenen medizinischen Behandlungen, die im Erlass vom 6. Januar 1962 festgelegt wurden, erwähnt.
Mit diesem Urteil bestätigt der französischen Kassationshof, dass Behandlungen nach der Methode der Kryolipolyse den medizinischen Behandlungen der Kryotherapie gleichgestellt sind, die von dem Erlass erfasst werden und daher nur Ärzten vorbehalten sind.
Außerdem folgt er der Argumentation des Berufungsgerichts, das Micro-Needling als medizinische Behandlung im Sinne des Erlasses vom 6. Januar 1962 einstufte.
So sind Kryolipolyse und Micro-Needling unabhängig vom ästhetischen Ziel medizinische Behandlungen, die ausschließlich Ärzten vorbehalten sind.
Die Beurteilung der Mittäterschaft des Gründers des Zentrums
Um die Mittäterschaft des Gründers eines Schönheitszentrums zu beurteilen, musste das Berufungsgericht einschätzen, ob dieser freiwillig, durch aktive Unterstützung oder Beihilfe, zur Durchführung der Straftat beigetragen hatte (Artikel 121-7 des französischen Strafgesetzbuchs).
Im vorliegenden Fall wurden dem Gründer des Schönheitszentrums, der selbst Arzt war, mehrere Tatbestände vorgeworfen: 1. Er hatte der Geschäftsführerin des Schönheitszentrums ein Kryolipolysegerät verkauft, das Ärzten vorbehalten war; 2. er hatte perforierende Stifte verkauft und die Betreuung von Patienten mit Verletzungen übernommen; 3. er hatte die Mitarbeiter des Schönheitszentrums an den betreffenden Geräten ausgebildet.
Durch diese Handlungen war der Gründer des Schönheitszentrums an der Durchführung medizinischer Maßnahmen beteiligt, die von Personen durchgeführt wurden, die keine ärztliche Approbation besaßen. Er wurde daher wegen Beihilfe zur illegalen Ausübung der ärztlichen Tätigkeit zu einem fünfjährigen Berufsverbot und zur Zahlung einer Geldstrafe von 30.000 € sowie zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt.
Tipp von GGV: Gründer, Geschäftsführer oder Manager eines Gesundheitszentrums sollten unbedingt auf die Absicherung Ihrer zivil- und strafrechtlichen Haftung achten.