Deutsch-Französischer Informationsbrief | Herbst 2024

In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche wie steuerrechtliche Entwicklungen in Frankreich informieren. Die deutsch-französischen Anwälte von GGV, die die verschiedenen Beiträge zu diese Brief verfasst haben, sind alle in der Beratung von Unternehmen in ihren grenzüberschreitenden Fragen spezialisiert.

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News Frankreich

  1. ARBEITSRECHT - Entscheidung des Défenseur des droits über die Durchführung interner Untersuchungen im Zusammenhang mit sexueller Belästigung
  2. ARBEITSRECHT - Neue Regeln für die medizinische Kontrolluntersuchung von krankgeschriebenen Arbeitnehmern
  3. IMMOBILIEN - Bekräftigung durch den französischen Kassationsgerichtshof der Voraussetzungen für die Entschädigung des Vermieters
  4. BAUWESEN - Änderung der Rechtsprechung zur Pflichtversicherung für Ausstattungsgegenstände
  5. HANDELSRECHT – Der sogenannte Geschäftsführertrick und Bankhaftung
  6. HANDELSRECHT - Geschäftliche Verhandlungen in Frankreich: Bevorstehender Beginn der jährlichen geschäftlichen Verhandlungen 2025
  7. RECHTSSTREIT - Eine Vertragspartei kann sich gegenüber Dritten auf eine Haftungsbeschränkungsklausel berufen
  8. RECHTSSTREIT - Verträge und Verjährungsfrist – Vorsicht bei der Festlegung des Beginns einer vertraglich festgelegten Verjährungsfrist!
  9. CORPORATE - Universelle Vermögensübertragung einer Gesellschaft („TUP“): seit dem 1. Oktober 2024 gibt es kein Verstecken mehr!
  10. CORPORATE – Mehr Flexibilität durch das Gesetz Nr. 2024-537: Frischer Wind für Unternehmen in Frankreich

News Frankreich

ARBEITSRECHT - Entscheidung des Défenseur des droits über die Durchführung interner Untersuchungen im Zusammenhang mit sexueller Belästigung

In seiner Entscheidung 2024-105 vom 11. Juli 2024 untersuchte der Défenseur des droits – eine unabhängige Behörde zur Bekämpfung von Diskriminierungen – die von einem Arbeitgeber durchgeführte interne Untersuchung, welche aufgrund einer Beschwerde einer Arbeitnehmerin durchgeführt worden war, die sich als Opfer sexueller Belästigungen am Arbeitsplatz sah und daraufhin den Défenseur des droits anrief. Die Behörde erläutert in ihrer Entscheidung die bei einer solchen Untersuchung zu beachtenden Grundsätze und Methoden.

Im Rahmen der internen Untersuchung, die vom Arbeitgeber im Anschluss an die Beschwerde der Arbeitnehmerin eingeleitet worden war, wurden insgesamt sieben Arbeitnehmer angehört. Aus ihren Aussagen ging hervor, dass mehrere Arbeitnehmer, darunter auch die Person, auf die sich die Beschwerde bezog, sich im Rahmen der Wahrnehmung ihrer Aufgaben mehrfach sexistisch und sexuell motiviert geäußert hatten. Für die von der Arbeitnehmerin mitgeteilten Vorfälle gab es jedoch keine konkreten Beweise oder direkten Zeugenaussagen. Daher war der Arbeitgeber nach seiner internen Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass eine sexuelle Belästigung nicht bestätigt werden könne.

Nach Prüfung des Untersuchungsberichts und der dazugehörigen Unterlagen kam der Défenseur des droits jedoch zu dem Schluss, dass die interne Untersuchung gegen die bei sexuellen Belästigungen geltenden gesetzlichen Beweislastregeln verstieß. Gemäß Artikel L.1154-1 des Arbeitsgesetzbuchs ist es nämlich ausreichend, wenn der Arbeitnehmer stimmige Indizien vorträgt, die auf das Vorliegen einer Belästigung schließen lassen; der Beschuldigte trägt dann die Beweislast dafür, dass seine Handlungen keine sexuelle Belästigung darstellen. Nach Ansicht des Défenseur des droits reichten zwei Zeugenaussagen, welche den mitgeteilten Sachverhalt indirekt bestätigten, und mehrere andere Zeugenaussagen, die den Verdacht auf eine auf das Arbeitsklima beruhende sexuelle Belästigung begründeten, aus, um dem Arbeitgeber die Pflicht zum Nachweis aufzuerlegen, dass keine sexuelle Belästigung vorlag. Da der Arbeitgeber diesen Beweis schuldig blieb, hätte er in seinem Untersuchungsbericht vom Vorliegen einer sexuellen Belästigung ausgehen und die Konsequenzen daraus ziehen müssen, d. h. er hätte das Opfer schützen und eine verhältnismäßige Disziplinarmaßnahme gegen den Täter aussprechen müssen.

Der Défenseur des droits hat deshalb das Ergebnis des Untersuchungsberichts des Arbeitgebers verworfen. Da er der Ansicht war, dass die Arbeitnehmerin sowohl einer sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz als auch einer sexuellen Belästigung aufgrund des bestehenden Arbeitsklimas ausgesetzt war, forderte er den Arbeitgeber in der oben genannten Entscheidung auf, Disziplinarmaßnahmen gegen alle beteiligten Arbeitnehmer zu verhängen und die Arbeitnehmerin zu entschädigen.

Der Défenseur des droits hat außerdem darauf hingewiesen, dass eine Anhörung des Opfers durchgeführt werden sollte, sobald dies für die Wahrheitsfindung unerlässlich ist, und ohne dass das Opfer dies ausdrücklich gefordert haben muss. Er empfiehlt deshalb den Ermittlern, gründliche Untersuchungen durchzuführen und nicht auf das Nichtvorhandensein einer Belästigung zu schließen, bevor nicht alle potenziellen Zeugen der mitgeteilten Handlungen angehört wurden.

Empfehlung von GGV: Wir empfehlen, bei der Durchführung interner Untersuchungen den Grundsatz der Verlagerung der Beweislast bei Belästigungen mit Vorsicht anzuwenden. Er ist mit dem anderen Grundsatz, dass Zweifel zugunsten des Arbeitnehmers gehen zu vereinbaren. Dies schließt die Sanktionierung eines Arbeitnehmers auf der Grundlage bloßer Vermutungen aus.

ARBEITSRECHT - Neue Regeln für die medizinische Kontrolluntersuchung von krankgeschriebenen Arbeitnehmern

Die Verordnung Nr. 2024-692 vom 05.07.2024 hat die Regeln für die Organisation und den Ablauf von medizinischen Kontrolluntersuchung geändert, die der Arbeitgeber zur Prüfung in Auftrag geben kann, ob die Krankschreibung des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist.

Der Arbeitgeber kann eine Kontrolluntersuchung dann veranlassen, wenn er aufgrund von gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.

Der Arbeitnehmer muss dem Arbeitgeber zu Beginn der Krankschreibung seinen Aufenthaltsort mitteilen, sollte er sich nicht an seinem Wohnort befinden. Wenn der Krankenschein keine Beschränkungen für den Ausgang des Arbeitnehmers vorsieht, muss er dem Arbeitgeber zusätzlich die Zeiten mitteilen, an denen die Untersuchung stattfinden kann.

Die Kontrolluntersuchung kann jederzeit nach Wahl des vom Arbeitgeber beauftragten Arztes durchgeführt werden:

  • Entweder am Wohnort des Arbeitnehmers oder an dem von ihm mitgeteilten Aufenthaltsort,
  • oder in der Praxis des beauftragten Arztes auf dessen Ladung hin. Ist es für den Arbeitnehmer nicht möglich, sich in die Praxis zu begeben, muss er dies dem Arzt unter Angabe von Gründen mitteilen.

Nach der Untersuchung informiert der Arzt den Arbeitgeber darüber, ob die Krankschreibung und deren Dauer gerechtfertigt ist oder nicht bzw. dass die Untersuchung aufgrund der Abwesenheit des Arbeitnehmers nicht durchgeführt werden konnte.

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer unverzüglich hierüber informieren.

Sind die Krankschreibung und/oder deren Dauer nicht gerechtfertigt oder konnte die Kontrolluntersuchung nicht durchgeführt werden, ist der Arbeitnehmer berechtigt, die Lohnfortzahlung ab dem Datum der Untersuchung einzustellen.

Der vom Arbeitgeber beauftragte Arzt muss seinen Untersuchungsbericht innerhalb einer Frist von 48 Stunden an die gesetzliche Krankenkasse CPAM weiterleiten.

Hinweis: Ist der Arbeitnehmer in der Region Alsace-Moselle ansässig, kann der Arbeitgeber aufgrund der dort geltenden Bestimmungen keine Kontrolluntersuchung durchführen lassen. Die Lohnfortzahlung kann nicht eingestellt werden.

IMMOBILIEN - Bekräftigung durch den französischen Kassationsgerichtshof der Voraussetzungen für die Entschädigung des Vermieters

In einer Reihe von drei Urteilen vom 27. Juni 2024 hatte der Kassationsgerichtshof die Frage der Entschädigung des gewerblichen Vermieters bei der Rückgabe der Räumlichkeiten durch den Mieter zu klären.

In dem ersten Fall (Cass. 3e civ., 27. Juni 2024, Nr. 22-24502) hatte der Vermieter die Räumlichkeiten nach der Rückgabe wieder vermietet, ohne Ausgaben zu tätigen. Im zweiten und dritten Fall (Cass. 3e civ., 27. Juni 2024, Nr. 22-21272Cass. 3e civ., 27. Juni 2024, Nr. 22-10298) wurden die betreffenden Immobilien nach dem Auszug des Mieters verkauft.

In den ersten beiden Fällen vertraten die Mieter vor den Berufungsgerichten Douai bzw. Paris die Ansicht, dass in Ermangelung eines nachgewiesenen Schadens, das Gericht dem Vermieter keine Entschädigung zubilligen kann, wenn kein begründeter und durch das Verschulden des Mieters verursachter Schaden vorliegt. Die bloße Nichtvornahme der Mietreparaturen reiche nicht aus, um einen solchen Schaden zu begründen. Im Gegensatz zu den ersten beiden Kassationsbeschwerden wurde in der dritten und vom Vermieter eingereichten Kassationsbeschwerde geltend gemacht, dass die Feststellung von Schäden, die während der Nutzung des Mietsache entstanden sind, einen Anspruch auf Schadenersatz begründet.

Der Kassationsgerichtshof musste die Frage beantworten, ob die Nichterfüllung der Verpflichtung des Mieters, die Räumlichkeiten in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben, ausreicht, um das Vorliegen eines ersatzfähigen Schadens anzunehmen.

Der Gerichtshof verneint dies mit der Begründung, dass sich aus Artikel 1732 in Verbindung mit den Artikeln 1147 und 1149 des französischen Zivilgesetzbuchs ergibt, dass der Vermieter einen tatsächlichen Schaden nachweisen muss, der im Hinblick auf die Umstände nach der Übergabe der Räumlichkeiten zu bewerten ist. Das Gericht bekräftigt zudem das Erfordernis einen unmittelbaren und ausschließlichen Zusammenhang zwischen dem Verschulden des Mieters und dem Schaden des Vermieters.

Da diese Frage in der Vergangenheit zu widersprüchlichen Positionen und einigen Kehrtwendungen des Kassationsgerichtshofs geführt hatte (Cass. 3e civ., 29. Jan. 2002, Nr. 99-20768Cass. 3e civ., 3. Dez. 2003, Nr. 02-18033), ist zu hoffen, dass der Gerichtshof bei der beständigen Flut von Mietstreitigkeiten den Kurs dieser letzten Entscheidungen beibehält.

BAUWESEN - Änderung der Rechtsprechung zur Pflichtversicherung für Ausstattungsgegenstände

Bis vor kurzem waren die mit einem Gebäude nicht fest verbundenen Ausstattungsgegenstände von der Bauunternehmerhaftpflichtversicherung umfasst und somit auch die zehnjährige Bauunternehmergewährleistung eingeschlossen. In einem Urteil vom 21.03.2024 entschied der Kassationsgerichtshof, dass diese Ausstattungsgegenstände künftig nicht mehr von der gesetzlichen Bauunternehmergewährleistung gedeckt sind.

Die zuvor von der gesetzlichen Gewährleistung des Bauwesens umfassten Ausstattungsgegenstände

Zu den Ausstattungsgegenständen gehören zahlreiche unterschiedliche Bestandteile eines Bauwerks, die in jedem Bauvertrag vorkommen, wie beispielsweise Photovoltaikmodule, Wärmepumpen oder Zwischendecken. Sie werden in zwei Kategorien unterteilt: solche, die mit dem Gebäude fest verbunden sind und solche, die mit dem Bauwerk nicht fest verbunden sind.

Ist der Ausstattungsgegenstand mit dem Bauwerk fest verbunden (z. B. Aufzug, Heizkessel), so gelten für ihn die gesetzlichen Baugewährleistungsregelungen für Bauunternehmer (Art. 1792-2 des Zivilgesetzbuchs). Hierzu gehört insbesondere die zehnjährige Baugewährleistung (sog. garantie décennale). Unternehmen, die solche nicht mit dem Bauwerk fest verbundene Ausstattungsgegenstände installieren, müssen daher eine entsprechende Haftpflichtversicherung abschließen (Art. L. 241-1 des Versicherungsgesetzbuchs).

2017 entschied der Kassationsgerichtshof, dass Unternehmen, die Ausstattungsgegenstände installieren, die mit einem Gebäude nicht fest verbunden sind, ebenfalls als Bauunternehmer anzusehen sind und somit auch eine entsprechende Haftpflichtversicherung abschließen müssen. Damit wollte der Kassationsgerichtshof Bauherren bei Vorliegen von Mängeln besser schützen.

In dem o. g. Urteil vom 21.03.2024 stellte der Kassationsgerichtshof jedoch fest, dass diese Rechtsprechung nicht die erhoffte Wirkung erzielt hatte.

Künftig sind mit dem Gebäude nicht fest verbundene Ausstattungsgegenstände nur noch von den vertraglichen Garantieregelungen gedeckt

Der Kassationsgerichtshof erwähnt nämlich die Tatsache, dass die Installateure von Ausstattungsgegenständen nicht mehr Pflichtversicherungen abschlossen als zuvor.

Daher entschied das Gericht, dass Ausstattungsgegenstände, die als Ersatz oder Ergänzung in bzw. an einem bestehenden Bauwerk installiert werden, und die an sich kein Bauwerk darstellen, nur unter die allgemeine vertragliche Haftung fallen. Das Urteil stellt hierzu klar, dass die Schwere der Mängel an dem Bauwerk unerheblich ist.

Somit sind Unternehmen, die mit dem Gebäude nicht fest verbundene Ausstattungsgegenstände installieren, nicht mehr verpflichtet, eine Bauunternehmerhaftpflichtversicherung abzuschließen.

Die Auswirkungen der Rechtsprechung auf die Haftung der Installateure von Ausstattungsgegenständen

Diese Änderung der Rechtsprechung wird auf die Haftung von Unternehmen, die Ausstattungsgegenstände in oder an einem Gebäude installieren erhebliche Auswirkungen haben.

Von fortan können die Parteien nämlich mangels Anwendbarkeit der zwei- bzw. zehnjährigen gesetzlichen Baugewährleistung den Umfang der Haftung des Installateurs von Ausstattungsgegenständen vertraglich aushandeln. Dabei werden die Parteien unter anderem die Verjährungsfrist im Blick haben. Tatsächlich beträgt die allgemeine Verjährungsfrist vorbehaltlich abweichender vertraglicher Bestimmungen fünf Jahre ab Kenntnis des Schadens, wobei die zwei- und zehnjährige gesetzlichen Baugewährleistung ab der Abnahme der Bauleistungen beginnen.

Tipp von GGV: Sowohl der Bauherr als auch der Installateur von Ausstattungsgegenständen müssen künftig der Festlegung der Verjährungsfrist im Bauvertrag besondere Aufmerksamkeit widmen. Es ist nämlich möglich, die Verjährungsdauer vertraglich zu vereinbaren, sofern die Mindestdauer von einem Jahr und die Höchstdauer von zehn Jahren eingehalten werden.

HANDELSRECHT – Der sogenannte Geschäftsführertrick und Bankhaftung

Im seinem Urteil Nr. 23-13.282 vom 2. Oktober 2024 untersucht die für Handelssachen zuständige Kammer des Kassationsgerichtshofs die Problematik des Identitätsdiebstahls des Geschäftsführers eines Unternehmens im Zusammenhang mit Zahlungsaufträgen und erinnert an die Sorgfaltspflichten der Bankinstitute.

Beim sogenannten Geschäftsführertrick, auch CEO Fraud genannt, gibt sich der Täter als Geschäftsführer eines Unternehmens aus, um einen Angestellten dazu zu veranlassen, eine Banküberweisung auf ein fremdes Konto zu tätigen. Dieses Phänomen hat sich in den letzten Jahren auf besorgniserregende Weise verbreitet. Im oben genannten Fall gelang es einem Außenstehenden, die Buchhalterin eines Unternehmens dazu zu veranlassen, sieben Überweisungsaufträge zu einem Gesamtbetrag von mehr als 2 Mio. Euro innerhalb eines Zeitraums von weniger als zwei Wochen zugunsten einer Firma in China zu tätigen.

Das Unternehmen verklagte daraufhin seine Bank. Das Berufungsgericht hielt die Bank wegen Verstoßes ihrer Sorgfaltspflichten für haftbar. Es vertrat die Ansicht, dass die Bank aufgrund der ungewöhnlichen Umstände der Transaktionen offensichtliche Anomalien in den Zahlungsanweisungen hätte erkennen müssen.

Daraufhin legte die Bank Kassationsbeschwerde ein. Der Kassationsgerichtshof wies die Berufung zurück und argumentierte, dass die Bank durch mehrere ungewöhnliche Umstände hätte alarmiert sein müssen, wie beispielsweise:

  • mehrere in kurzem zeitlichen Abstand erfolgende Überweisungen,
  • ein hoher Betrag im Vergleich zu den anderen Zahlungsanweisungen des Unternehmens,
  • ein für das Unternehmen ungewöhnlicher Zeitraum für die Durchführung von Überweisungen,
  • ein für das Unternehmen unüblicher Zahlungsbegünstigter,
  • ein für das Unternehmen ungewöhnliches Empfängerland (Hongkong).

Die Bank kann daher dann haftbar gemacht werden, wenn mehrere Anhaltspunkte zusammengenommen auf ein Betrugsrisiko hindeuten. Die Beurteilung der Anhaltspunkte muss also in ihrer Gesamtheit und nicht isoliert erfolgen.

Nach Ansicht des Kassationsgerichtshofs hätte die Bank bei Vorliegen ungewöhnlicher Umstände, die einen möglichen „Geschäftsführertrick“ vermuten ließen, den Geschäftsführer des Unternehmens kontaktieren müssen, um die Überweisungen genehmigen zu lassen, da dieser die einzige Person war, die dazu befugt war. Die Bank hatte aber lediglich die Buchhalterin kontaktiert. Dieses Erfordernis ist für die Vermeidung eines Betrugs entscheidend, da die Kommunikation mit einem Mitarbeiter, der Opfer eines solchen Identitätsdiebstahls sein könnte (wie hier die Buchhalterin), nicht ausreicht, um Überweisungsgeschäfte sicher durchzuführen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bankinstitute zum einen verpflichtet sind, zu prüfen, ob ungewöhnliche Umstände vorliegen, und zum anderen, das betroffene Unternehmen bei offensichtlichen Anomalien zu warnen. Andernfalls kann das Unternehmen, das Opfer eines „Geschäftsführertricks“ geworden ist Schadenersatz fordern.

HANDELSRECHT - Geschäftliche Verhandlungen in Frankreich: Bevorstehender Beginn der jährlichen geschäftlichen Verhandlungen 2025

Geschäftliche Verhandlungen sind in Frankreich stark reglementiert, sowohl was den Zeitplan als auch die Modalitäten oder den Inhalt der geschlossenen Vereinbarung betrifft.

Jedes Jahr verhandeln Lieferanten und Händler ihre neuen Handelskonditionen für das laufende Jahr mit einem „Zieldatum“, das in der Regel auf den 1.  März fällt. Die sogenannte schriftliche Vereinbarung (convention écrite) kann eine Laufzeit von einem, zwei oder drei Jahren haben.

Die Einhaltung dieses „Zieldatums“ und anderer Fristen, der Verhandlungsmodalitäten und des Inhalts dieser schriftlichen Vereinbarung wird von den französischen Behörden aufmerksam überwacht, umso mehr vor dem Hintergrund, dass die Landwirte mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Die Höchststrafe für eine juristische Person, die gegen die Bestimmungen über die schriftliche Vereinbarung verstößt, beträgt 375.000 EUR, bei wiederholtem Verstoß sogar 750.000 EUR. Für die Einhaltung der Bestimmungen über Geschäftsverhandlungen sind grundsätzlich beide Parteien verantwortlich, auch wenn die Behörden bestrebt ist, die Partei zu identifizieren, der ein möglicher Verstoß zuzuschreiben ist.

Diese Bestimmungen gelten für alle Vereinbarungen zwischen einem Anbieter und einem Käufer über Produkte oder Dienstleistungen, die in Frankreich vermarktet werden. Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit diesen Vereinbarungen sind ausschließlich die französischen Gerichte zuständig, selbst dann, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in Frankreich hat. Dies gilt vorbehaltlich der Einhaltung des Rechts der Europäischen Union und internationaler Verträge.

Gegen die in Belgien ansässige europäische Einkaufszentrale der Einzelhandelskette Leclerc wurde diesen Sommer eine (grundsätzlich anfechtbare) Geldbuße in Höhe von 38.067.000 EUR verhängt, weil sie 62 Mal gegen ihre Verpflichtung verstoßen hatte, Vereinbarungen mit ihren Lieferanten innerhalb der gesetzlichen Fristen abzuschließen. Die Geldbuße wurde auf der Grundlage verschärfter Bestimmungen für die Verhandlungen für 2023 zur Bekämpfung der Inflation verhängt.

Die Abfolge der geschäftlichen Verhandlungen beginnt mit der Übermittlung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Lieferanten an ihre Kunden. Diese Übermittlung muss in der Regel innerhalb einer „angemessenen Frist“ vor dem 1. März erfolgen, bei Lieferanten bestimmter „nicht haltbarer Konsumgüter mit hoher Konsumhäufigkeit“, wie z. B. den meisten Lebensmitteln und Getränken, Haushalts- und Hygieneartikeln, und verschiedene andere Produkte wie z.B. elektrische Batterien, sogar vor dem 1. Dezember des Vorjahres.

Tipp von GGV: Um Rechtsstreitigkeiten oder Sanktionen zu vermeiden, empfehlen wir, die in den verschiedenen Verhandlungsphasen je nach den betroffenen Produkten und Dienstleistungen geltenden Regeln zu beachten und die Verhandlungen schriftlich festzuhalten, um die Einhaltung der Regeln beweisen zu können.

RECHTSSTREIT - Eine Vertragspartei kann sich gegenüber Dritten auf eine Haftungsbeschränkungsklausel berufen

Seit 2006 gesteht der Kassationsgerichtshof Dritten das Recht zu, eine Vertragspartei aufgrund einer Vertragsverletzung haftbar zu machen, wenn ihnen dadurch ein Schaden entstanden ist (Cass. Ass. plén., 6. Okt. 2006, Nr. 05-13.255, Bootshop).

In diesem Fall stützt der Dritte seinen Anspruch auf Artikel 1240 des frz. Zivilgesetzbuchs (deliktische Haftung), da er keine Vertragspartei ist. Er muss jedoch nicht nachweisen, dass der Vertragspartner eine deliktische Pflichtverletzung begangen hat, sondern lediglich, dass sich dieser einer Vertragsverletzung schuldig gemacht hat (Ass. plén. 13. Jan. 2020, Nr. 17-19.963). Außerdem muss er nachweisen, dass er einen Schaden erlitten hat, der unmittelbar aus dieser Vertragsverletzung entstanden ist.

Das Recht des Dritten, eine Vertragsverletzung auf der Grundlage der deliktischen Haftung geltend zu machen, wurde stark kritisiert. Tatsächlich ist der Dritte, da er nicht vertraglich an denjenigen gebunden ist, der die Vertragsverletzung begangen hat, auch nicht an die im Vertrag vorgesehenen Haftungsbeschränkungen gebunden. Folglich befindet sich der Dritte in einer günstigeren Situation als der Vertragspartner des Vertragsverletzers und kann somit die Erwartungen der Parteien umgehen.

Mit einer Entscheidung vom 3. Juli 2024 hat die für Handelssachen zuständige Kammer des Kassationsgerichtshofs diese Rechtslage korrigiert.

Das Gericht hat nämlich klargestellt, dass eine Haftungsbeschränkungsklausel dem Dritten, der sich auf eine Vertragsverletzung beruft, entgegengehalten werden kann, um „die Erwartungen des Schuldners, der sich mit Rücksicht auf die allgemeine Systematik des Vertrags verpflichtet hat, nicht zu umgehen und dem Dritten, der sich auf den Vertrag beruft, keine vorteilhaftere Position zu verschaffen als die, auf die sich der Gläubiger selbst berufen kann“. (Cass. com., 3. Juli 2024, Nr. 21-14.947).

Sollte diese Entscheidung von den anderen Kammern des Kassationsgerichtshofs bestätigt werden, ist sie zu begrüßen, da sie die Vorhersehbarkeit für die Vertragsparteien verstärkt und ihre Beziehung zu Dritten wieder ins Gleichgewicht bringt.

RECHTSSTREIT - Verträge und Verjährungsfrist – Vorsicht bei der Festlegung des Beginns einer vertraglich festgelegten Verjährungsfrist!

Eine Vertragsklausel kann nicht wirksam vorsehen, dass eine Klage einer Vertragspartei innerhalb eines Jahres nach Eintritt des anspruchsbegründenden Ereignisses erhoben werden muss.

Gemäß Artikel 2224 des frz. Zivilgesetzbuchs beträgt die allgemeine Verjährungsfrist fünf Jahre ab dem Tag, an dem der Anspruchsberechtigte von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

Die Parteien können die Verjährungsfrist vertraglich verlängern oder verkürzen (Art. 2254 des frz. Zivilgesetzbuchs). Bei der Festlegung der Verjährungsfrist ist jedoch darauf zu achten, dass diese mindestens ein Jahr und höchstens zehn Jahre betragen darf.

Der Kassationsgerichtshof hat kürzlich klargestellt, dass die Parteien keinen anderen Beginn der Verjährungsfrist festlegen können als den Zeitpunkt, zu dem sie von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis hatten oder hätten haben müssen (Cass. civ, 13. März 2024, Nr. 22-12.345).

Im vorliegenden Fall enthielt der Vertrag eine Klausel, die eine Verjährungsfrist von einem Jahr ab Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses vorsah. Der Kassationsgerichtshof erklärte eine solche Bestimmung für unwirksam mit der Begründung, dass die Bestimmung dadurch, dass sie die Klagebefugnis des Kunden einer Verjährungsfrist von einem Jahr ab Eintritt des kausalen Ereignisses unterwerfe, dazu führe, dass die anwendbare Verjährungsfrist unter die in Artikel 2254 des frz. Zivilgesetzbuchs festgelegte Grenze reduziert werde.

Die Vertragsfreiheit der Parteien bei der Gestaltung von Vertragsklauseln, die die allgemeine Verjährungsfrist verkürzen, bleibt somit eingeschränkt, da sie den vom Gesetzgeber festgelegten Fristbeginn nicht abbedingen können. Das Ziel des Gerichtshofs ist hier offensichtlich der Schutz des Anspruchsberechtigten, dessen Klagebefugnis nicht auf ein Jahr nach einem Ereignis, von dem er keine Kenntnis hatte, verkürzt werden kann.

Empfehlung von GGV: Wir raten zur Vorsicht, wenn Sie in Ihren Verträgen Klauseln zur Festlegung der Verjährungsfristen vorsehen wollen:

  • Die Verjährungsfrist muss mindestens ein Jahr und darf höchstens zehn Jahre betragen;
  • Als Beginn der Verjährungsfrist muss das Datum der Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen festgelegt werden und nicht das Datum des Schadeneintritts.

CORPORATE - Universelle Vermögensübertragung einer Gesellschaft („TUP“): seit dem 1. Oktober 2024 gibt es kein Verstecken mehr!

Die universelle Vermögensübertragung einer Gesellschaft („Transmission universelle du patrimoine“, kurz „TUP“), eine französische Besonderheit, ist ein verbreiteter Mechanismus im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungen, bei dem ein sich ein aufzulösendes Unternehmen sein Vermögen in vollem Umfang an seinen Alleingesellschafter, der eine juristische Person sein muss, überträgt.

Die universelle Vermögensübertragung ist ein unkompliziertes Verfahren, das die Übertragung von Vermögen und Verbindlichkeiten des Unternehmens mittels weniger Formalitäten ermöglicht, insbesondere durch einen Beschluss des Alleingesellschafters zur Auflösung ohne Liquidation des übertragenden Unternehmens und die Veröffentlichung einer Bekanntmachung in einem Amtsblatt. Die Bekanntmachung im Amtsblatt setzt eine Frist von 30 Tagen in Gang, innerhalb derer Gläubiger der Auflösung ohne Liquidation des Unternehmens widersprechen können.

Seit dem 1. Oktober 2024 ist es jedoch zwingend erforderlich, die zu einer universellen Vermögensübertragung führende Auflösung im französischen Amtsblatt für zivil- und handelsrechtliche Bekanntmachungen („Bulletin officiel des annonces civiles et commerciales“ oder „BODACC“) zu veröffentlichen. Hierzu ist es notwendig, sich an die Geschäftsstelle des zuständigen Handelsgerichts zu wenden.

Die Veröffentlichung im BODACC setzt somit die 30-tägige Widerspruchsfrist der Gläubiger in Gang. Mit dieser neuen Regelung soll eine bessere Information der Gläubiger ermöglicht und gegen betrügerische Handlungen vorgegangen werden, die dadurch möglich waren, dass einige Unternehmen zuvor ihre Anzeige für eine universelle Vermögensübertragung in einem weniger verbreiteten Amtsblatt veröffentlichten, um ihren Verpflichtungen gegenüber Dritten zu entgehen.

Tipp von GGV: Wir empfehlen, die einzelnen Schritte für eine TUP im Voraus zu planen und dabei die zusätzlichen Fristen für die Veröffentlichung im BODACC zu berücksichtigen. Diese hängt einerseits von der Bearbeitungszeit der Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts ab und kann mehrere Wochen beanspruchen, und andererseits vom Veröffentlichungsrhythmus des BODACC, da dieses nur fünfmal pro Woche erscheint. Je nach Anzahl der Anzeigen und aufgrund der Bearbeitungszeiten durch die Geschäftsstelle des Handelsgerichts ist es daher schwieriger, im Voraus ein genaues Veröffentlichungsdatum zu bestimmen.

GGV steht Ihnen zur Verfügung, um Sie bei der Durchführung Ihrer universellen Vermögensübertragungen zu begleiten.

CORPORATE – Mehr Flexibilität durch das Gesetz Nr. 2024-537: Frischer Wind für Unternehmen in Frankreich

Das Gesetz Nr. 2024-537, das am 13. Juni 2024 verabschiedet wurde und am 14. September 2024 in Kraft trat, bringt erhebliche Erleichterungen für die administrative Verwaltung von französischen Aktiengesellschaften (Sociétés anonymes, kurz SA) und Gesellschaften mit beschränkter Haftung (Sociétés à responsabilité limitée, kurz SARL) mit sich, die darauf abzielen, die Prozesse für das Abhalten von Sitzungen der Gesellschaftsorgane zu vereinfachen und die organisatorische Agilität zu fördern.

Wir stellen im Folgenden die wichtigsten Änderungen vor:

Aktiengesellschaften (SA)

Flexibilität bei der Abhaltung von Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratssitzungen

Eine der wichtigsten Änderungen, die durch dieses Gesetz eingeführt wurden, betrifft das Abhalten von Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratssitzungen von Aktiengesellschaften. Zuvor mussten diese Sitzungen in Anwesenheit der Mitglieder des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats abgehalten werden, es sei denn, die Satzung oder die Geschäftsordnung sah vor, dass die Sitzungen durch die Verwendung von Telekommunikationsmitteln abgehalten werden können. In jedem Fall aber war das Abhalten von Sitzungen mittels Telekommunikationsmitteln für die Feststellung des Jahresabschlusses bzw. des konsolidierten Jahresabschlusses untersagt. Die neue Gesetzgebung erlaubt es nun, Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratssitzungen per Videokonferenz oder mittels anderer elektronischer Kommunikationsmittel abzuhalten, was insbesondere auch die Feststellung des Jahresabschlusses einschließt, und bietet den Verwaltungs- bzw. Aufsichtsratssitzungen auf diese Weise mehr Flexibilität.

Diese Maßnahme entspricht der Notwendigkeit, die Arbeitsweise von Gesellschaften an moderne Praktiken anzupassen, die die Teilnahme der Mitglieder auch über größere Entfernungen hinweg erleichtern. Dadurch werden die Reisekosten gesenkt und die Entscheidungsfindung in einem sich häufig ändernden wirtschaftlichen Umfeld beschleunigt.

Anpassung der Satzung

Um die Satzung zu ändern und mit den gesetzlichen Bestimmungen in Einklang zu bringen, musste früher die außerordentliche Hauptversammlung sowohl im Vorfeld tätig werden, um diese Befugnis an den Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat zu delegieren, als auch im Nachhinein, um die Änderung zu genehmigen. Nunmehr ist für die Anpassung der Satzung lediglich ein Beschluss des Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrats erforderlich, der anschließend von der Hauptversammlung genehmigt werden muss.

Gesellschaften mit beschränkter Haftung (SARL)

Vereinfachte Genehmigung des Jahresabschlusses

Eine der wichtigsten Änderungen betrifft die Genehmigung des Jahresabschlusses in Gesellschaften mit beschränkter Haftung. So ist es nicht mehr erforderlich, dass die Gesellschafter eine Hauptversammlung einberufen müssen, um den Jahresabschluss zu genehmigen. Jetzt kann diese Genehmigung durch schriftliche Konsultation oder einstimmigen Beschluss erfolgen, wodurch der Entscheidungsprozess vereinfacht wird. So können sich die Gesellschaften leichter an die zeitlichen Zwänge und die Verfügbarkeit ihrer Gesellschafter anpassen, vorausgesetzt, die Satzung sieht dies vor.

Schriftliche Konsultation auf elektronischem Wege

Durch einen Zusatz in Artikel L. 223-27 des Handelsgesetzbuchs wurde mit der Reform auch die Möglichkeit gesetzlich verankert, im Rahmen der schriftlichen Konsultation der Gesellschafter auf elektronische Mittel zurückzugreifen.

Schriftliche Abstimmung

Schließlich öffnet das Gesetz den Weg für die schriftliche Abstimmung bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung. Bisher war diese Praxis nicht erlaubt, was die Mitwirkungsmöglichkeiten der Gesellschafter einschränkte. Künftig kann die Satzung diese Abstimmungsmethode erlauben.

Tipp von GGV: Wir empfehlen zu überprüfen, ob Ihre Satzung auf dem neuesten Stand ist, damit Ihre Gesellschaft die neuen Regelungen in Anspruch nehmen kann. Gerne begleiten wir Sie hierbei.