Deutsch-Französischer Informationsbrief | Januar 2019
In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.
News Frankreich
- ARBEITSRECHT - Überstunden
- ARBEITSRECHT - 13. Monatsgehalt für „cadre“-Angestellte und Gleichbehandlung
- COMPLIANCE - Verarbeitung personenbezogener Daten, die einer Folgenabschätzung in Frankreich unterliegen
- STEUERRECHT - Sozialabgaben: die Beitragspflicht für nicht in Frankreich sozialversicherte Personen verstößt gegen das Recht der Europäischen Union
- STEUERRECHT - Quellensteuer für Dividendenausschüttungen an nicht in Frankreich ansässige Gesellschaften: das französische System verstößt gegen das Recht der Europäischen Union
- HANDELSRECHT - Vertragsbeendigung: Kündigungsklausel, Kündigung wegen schwerer Vertragsverletzung und Kündigungsfrist
- CORPORATE - Wirksamkeit der Abtretung von Geschäftsanteilen zum symbolischen Preis von einem Euro
- IMMOBILIENRECHT - Kürzere Verfahren für städtebauliche Rechtsstreitigkeiten und „permis de faire“
- GGV in eigener Sache
News Frankreich
ARBEITSRECHT - Überstunden
Der Kassationshof hat mit zwei Urteilen vom 14.11.2018 seine Rechtsprechung bestätigt, der zufolge der Arbeitgeber die vom Arbeitnehmer geleisteten Überstunden bezahlen muss, wenn diese für die Erfüllung der ihm vom Arbeitgeber anvertrauten Aufgaben notwendig waren. Der Kassationshof hat erstmals klargestellt, dass auch Überstunden bezahlt werden müssen, die trotz des ausdrücklichen Verbots des Arbeitgebers geleistet wurden, falls deren Erbringung aufgrund der Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers notwendig war.
In einem der beiden Fälle war in einem Zusatz zum Arbeitsvertrag vorgesehen, dass die Erbringung von Überstunden ohne vorherige Zustimmung verboten ist. Trotz dieses Verbotes hatte der Arbeitnehmer Überstunden geleistet. Hierauf hatte der Arbeitgeber mit einer Aufforderung zur Unterlassung und einer Abmahnung reagiert. In dem anderen Fall hatte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit mehreren Schreiben und E-Mails darauf hingewiesen, dass für die Erbringung von Überstunden eine vorherige Zustimmung des Vorgesetzten notwendig ist.
In beiden Fällen hatten die Arbeitnehmer ohne Zustimmung des Arbeitgebers Überstunden geleistet und diesen vor vollendete Tatsachen gestellt. Der Kassationshof ist trotz des Verbots von Überstunden der Auffassung, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf die Bezahlung von Überstunden hat, wenn deren Erbringung aufgrund der ihm anvertrauten Aufgaben notwendig war.
Im Falle eines Rechtsstreits trägt der Arbeitnehmer die Beweislast dafür, dass die Erbringung der Überstunden tatsächlich notwendig war. In einem der beiden Fälle wurde diese Notwendigkeit dadurch belegt, dass die Arbeitsbelastung des Arbeitnehmers, aufgrund derer für einen vorhergehenden Zeitraum bereits Überstunden bezahlt wurden, in der Folge weiterhin gleich hoch geblieben und danach höher geworden ist.
Der Arbeitgeber hat also in Zukunft Anspruch auf die Bezahlung von Überstunden:
- wenn ihre Erbringung vom Arbeitgeber gefordert wurde oder dieser ausdrücklich oder implizit zugestimmt hat, oder wenn Überstunden zuvor geduldet wurden,
- oder wenn ihre Erbringung aufgrund der dem Arbeitnehmer anvertrauten Aufgaben notwendig war.
Es ist deshalb nicht ausreichend, wenn der Arbeitgeber ein Verfahren bzgl. der Zustimmung zur Leistung von Überstunden einführt und dessen Einhaltung überwacht. Der Arbeitgeber muss außerdem das Unternehmen und/oder die Abteilung so organisieren, dass eine zu hohe Arbeitsbelastung vermieden wird, will er Kosten und Nachteile vermeiden, die mit der Erbringung von Überstunden verbunden sind.
ARBEITSRECHT - 13. Monatsgehalt für „cadre“-Angestellte und Gleichbehandlung
Aus dem allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung ergibt sich, dass Arbeitnehmern, die sich in eine identischer Situation befinden, denselben Anspruch auf die Gewährung einer Gehaltserhöhung, eines Bonus oder sonstigen Vorteils haben.
Die Situation von Arbeitnehmern ist identisch, wenn sie sich im Hinblick auf ihre Aufgaben, Qualifikation und Arbeitsbedingungen in einer vergleichbaren Situation befinden.
40 Arbeit und Angestellte haben vor dem Arbeitsgericht die Verurteilung ihres Arbeitgebers zur Zahlung eines 13. Monatsgehalt erhoben, der nur als „cadre“ eingestuften Angestellten des Unternehmens gewährt wird.
Das Berufungsgericht Riom hat den Anträgen stattgegeben und sich hierfür auf ein Urteil des Kassationshof vom 20. Februar 2008 (Cass. Soc. 20.02.2008, Nr. 05-45601) gestützt. Der Kassationshof hatte entschieden, dass “die Einstufung in eine Arbeitnehmerkategorie für sich genommen nicht ausreichend für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern ist, die sich im Hinblick auf den Vorteil in einer identischen Situation befinden ist. Die unterschiedliche Behandlung muss vielmehr auf objektiven Gründen beruhen, deren Existenz und Stichhaltigkeit vom Richter überprüft sein müssen“.
Der Kassationshof hat am 26.09.2018 entschieden, dass das Berufungsgericht Riom den Gleichbehandlungsgrundsatz falsch angewendet hat. Für den Kassationsgerichtshof ist das
13. Monatsgehalt der „cadre“-Angestellten Teil ihres Jahresgehalts, das “als Gegenleistung für eine Arbeit, bei sich „cadre“-Angestellte und andere Arbeitnehmer nicht in eine identischen Situation befinden” gewährt wird (Cass. Soc. 26.09.2018, n°17-15101).
Für diese Entscheidung hat der Kassationshof auf die Art des gewährten Vorteils abgehoben und geprüft, ob es sich um einen Gehaltsbestandteil handelt, der als Gegenleistung für die Arbeit gewährt wird, bei der sich die „cadre“- und die anderen Arbeitnehmer nicht in einer identischen Situation befinden, da sie nicht dieselben Aufgaben und Verantwortung haben.
Die Rechtsprechung des Kassationshofs ist sehr nuanciert. Im Jahr 2008 hatte er über eine Ungleichbehandlung bei der Gewährung von Restauranttickets (Essensgutscheine) zu entscheiden. Diese Gutscheine werden wie das 13. Monatsgehalt für „cadre“-Angestellte als Gegenleistung für die Arbeit gewährt. Der Unterschied besteht darin, dass diese Gutscheine Vorteile sind, die allen Arbeitnehmern gewährt werden, damit sie während des Arbeitstags eine Mahlzeit bezahlen können. Es geht also eher darum, arbeitsbedingte Zwänge auszugleichen, während die Gewährung eines 13. Monatsgehaltsbonus die Arbeit selbst belohnt.
Schließlich ist anzumerken, dass der Arbeitgeber das Bestehen von objektiven und stichhaltigen Gründen lediglich dann beweisen können muss, wenn die Ungleichbehandlung auf einer Arbeitgeberentscheidung oder einer Übung beruht. Werden dagegen die Vorteile auf der Grundlage eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung gewährt, dann wird die „Rechtfertigung der Ungleichbehandlung vermutet“ (Cass. Soc. 27.01.2015, n° 13-22.179).
COMPLIANCE - Verarbeitung personenbezogener Daten, die einer Folgenabschätzung in Frankreich unterliegen
Mit den Beschlüssen Nr. 2018-326 und 2018-327 vom 11.10.2018 hat die CNIL (französische Datenschutzbehörde) Leitlinien veröffentlicht, in denen die Bedingungen für eine Folgenabschätzung festgelegt sind.
Artikel 35 der Verordnung zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten („DSGVO“) bestimmt, dass der Verantwortliche eine Folgenabschätzung für den Datenschutz durchführen muss, wenn die Verarbeitung ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen zur Folge hat, und legt die Hauptkategorien von Verarbeitungen fest, die einer Folgenabschätzung unterzogen werden müssen. Bereits im Oktober 2017 wurden von der damaligen Artikel 29-Datenschutzgruppe Leitlinien für die Auslegung beschlossen und vom Europäischen Datenschutzausschuss (“EDSA”) übernommen. Sie legen neun Kriterien fest, deren Erfüllung darauf schließen lässt, dass eine Verarbeitung ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen darstellen kann.
Dieser Artikel 35 ist eine der Vorschriften, für die die Mitgliedstaaten einen “Spielraum” haben, um die DSGVO durch nationale Rechtsvorschriften zu ergänzen. Er gestattet dem Mitgliedstaat, eine Liste der Arten von Verarbeitungsvorgängen zu erstellen, für die eine Datenschutz-Folgenabschätzung erforderlich ist, und eine Liste, für die sie nicht erforderlich ist.
In diesem Zusammenhang hat die französische Datenschutzbehörde (Commission nationale de l’informatique et des libertés -“Cnil”) nach Konsultation des EDSA ihre eigenen Leitlinien veröffentlicht, die den Wortlaut der europäischen Vorschriften übernehmen und damit eine Liste von 14 Verarbeitungen erstellen, die in Frankreich einer Folgenabschätzung unterzogen werden müssen.
Was die Bedingungen für die Durchführung einer Folgenabschätzung betrifft, so erinnert die CNIL daran, dass Artikel 35 Absatz 7 der DSGVO den Mindestinhalt einer Folgenabschätzung festlegt. Sie legt die Grundsätze fest, die sie bereits in den letzten Monaten hat verlauten lassen: Die Folgenabschätzung muss vor der Durchführung einer Verarbeitung durchgeführt werden, die ein hohes Risiko für die Rechte und Freiheiten natürlicher Personen darstellt; sie muss von dem Verantwortlichen oder unter seiner Aufsicht durchgeführt werden; sie muss die vom EDSA festgelegten Kriterien erfüllen; und sie muss alle an der betreffenden Verarbeitung Beteiligten (z. B. den Datenschutzbeauftragten, den/die Auftragsverarbeiter, die betroffenen Personen) einbeziehen.
Schließlich weist die CNIL darauf hin, dass der Verantwortliche ihr die Folgenabschätzung unter den in Artikel 36 des DSGVO genannten Bedingungen übermitteln muss, wenn aus der Folgenabschätzung trotz der vorgesehenen Maßnahmen ein hohes Restrisiko hervorgeht.
STEUERRECHT - Sozialabgaben: die Beitragspflicht für nicht in Frankreich sozialversicherte Personen verstößt gegen das Recht der Europäischen Union
Das Oberverwaltungsgericht Nancy hat mit Urteil vom 31.03.2018 (Nr. 17NC02124) entschieden, dass einem in Frankreich ansässigen Steuerpflichtigen, der an die schweizerische Sozialversicherung angegliedert ist, ein Großteil der in Frankreich abgeführten Sozialabgaben zurückerstattet werden muss, da das französische Sozialabgabensystem gegen das Recht der Europäischen Union verstößt. Sollte dieses Urteil bestätigt werden werden, können in der Schweiz oder in einem Mitgliedstaat der EU sozialversicherte Personen, die dies rechtzeitig beantragen, eine Rückerstattung von in Frankreich seit dem 01.01.2017 bezahlten Sozialabgaben verlangen.
Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1408/71 vom 14.06.1971, welche für die Schweiz gilt (und die für die Mitgliedsstaaten der EU durch die Verordnung EG Nr. 883/2004 vom 29.04.2004 ersetzt wurde), sind lediglich die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats anwendbar. Die Verordnung EG Nr. 1408/71 vom 14.06.1971 wurde vom Europäischen Gerichtshof im Jahr 2000 angewandt, der entschieden hat, dass die Erhebung der Sonderabgaben CSG und CRDS auf die Arbeitseinkünfte einer Person, die in einem anderen Mitgliedstaat sozialversichert ist, gegen das Verbot der Kumulierung der anwendbaren Rechtsvorschriften verstoße (EuGH, Urteile vom 15.02.2000, Rs. C-169/98, Kommission/Französische Republik und Rs. C-34/98, Kommission/Französische Republik).
In seiner « De Ruyter »-Entscheidung vom 26.02.2015 hat der Europäische Gerichtshof das Verbot der Kumulierung von Rechtsvorschriften im Bereich der Sozialversicherung auf Kapitaleinkünfte ausgeweitet (EuGH, 1. Kammer, Urteil vom 26.02.2015, Rs. C-623/13, Ministre de l’Économie et des Finances gegen Gérard de Ruyter).
Die « De Ruyter »-Rechtsprechung wurde durch das Gesetz zur Finanzierung der Sozialversicherung für 2016 (Gesetz Nr.2015-1702 vom 21.12.2015) neutralisiert. Dieses Gesetz hat erneut Kapitaleinkünfte von Personen, die in der Schweiz oder in einem anderen Mitgliedstaat sozialversichert sind, Sozialabgaben unterworfen. Mit diesem Gesetz wurden die Einkünfte aus diesen Sozialabgaben Sozialversicherungszweigen zugewiesen, die beitragsunabhängige Leistungen erbringen (d.h. Leistungen, die auch ohne Mitgliedschaft und Beitragszahlung gewährt werden). Dadurch wollte der Gesetzgeber vermeiden, dass ihm ein Verstoß gegen den Grundsatz vorgeworfen wird, demzufolge die Rechtsvorschriften eines einigen Mitgliedsstaates anwendbar sind und der er es verbietet, Sozialabgaben von Personen zur erheben, die nicht in Frankreich sozialversichert sind.
In seinem Urteil vom 31.05.2018 bestätigt das Oberverwaltungsgericht Nancy dennoch, dass einem in der Schweiz sozialversicherten französischen Steuerpflichtigen ein Großteil der von ihm in Frankreich abgeführten Sozialabgaben zurückerstattet werden muss. Das Gericht begründet dies damit, dass diese Sozialabgaben trotz der Gesetzesänderung weiterhin Leistungen der Sozialversicherung finanzieren.
Für einen geringen Teil der Sozialabgaben (1,45 %) hat das Oberverwaltungsgericht das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Die französische Finanzbehörde hat gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts s Nancy Revision beim französischen Staatsrat eingelegt.
Wir empfehlen trotzdem nicht in Frankreich sozialversicherten Steuerpflichtigen, die Rückerstattung von Sozialabgaben zu beantragen, ohne die Entscheidungen des Europäische Gerichtshofs oder des Staatsrats abzuwarten. Für die in 2017 bezahlten Sozialabgaben muss die Rückerstattung bis zum 31.12.2019 geltend gemacht werden. Betroffen sind insbesondere Dividenden, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Erlöse aus der Veräußerung von Aktien und Geschäftsanteilen und Immobilientransaktionen.
STEUERRECHT - Quellensteuer für Dividendenausschüttungen an nicht in Frankreich ansässige Gesellschaften: das französische System verstößt gegen das Recht der Europäischen Union
Mit Urteil vom 22.11.2018 (Rs. C-575/17, Sofina SA, Rebelco SA, Sidro SA) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Erhebung einer Quellensteuer auf die von einer französischen Gesellschaft an eine ausländische Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden gegen das Europäische Recht verstößt, da Quellensteuer auf diese Dividenden erhoben wird, auch wenn die gebietsfremde Empfängerin am Ende des Geschäftsjahres Verluste erzielt. Dagegen unterliegen die an eine französische Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden nur dann der Körperschaftssteuer, wenn die französische Empfängerin am Ende des Geschäftsjahres ein positives Ergebnis erzielt.
In dieser Rechtssache waren die belgischen defizitären Gesellschaften mit weniger als 5 % am Kapital der französischen ausschüttenden Gesellschaften beteiligt und kamen deshalb nicht in den Genuss der Richtlinie 90/435/EWG des Rates über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten.
In einem solchen Fall unterliegen die Ausschüttungen einer französischen Gesellschaft an eine belgische Gesellschaft einer Quellensteuer von 30 %, die gemäß des französisch-belgischen Doppelbesteuerungsabkommens auf 15 % gesenkt wird. Die an die ausländische Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden werden unmittelbar und abschließend durch die Quellensteuer besteuert, unabhängig vom steuerlichen Ergebnis dieser Gesellschaft (Gewinn oder Verlust) am Ende des Geschäftsjahres.
Die an eine französische Gesellschaft ausgeschütteten Dividenden unterliegen hingegen nicht einer solchen Quellensteuer: sie werden in dem Steuerergebnis der Gesellschaft erfasst und unterliegen nach dem Ende des Geschäftsjahres der Körperschaftsteuer. Infolgedessen wird eine französische Gesellschaft nur im Fall eines positiven Steuerergebnisses besteuert. Im Falle eines Verlustes erfolgt die Besteuerung der ausgeschütteten Dividenden erst dann, wenn die Gesellschaft ein positives Ergebnis erzielt. Im Gegensatz zu der Situation der ausländischen Gesellschaft gewährt dieses System der gebietsansässigen Gesellschaft einen Liquiditätsvorteil. Außerdem werden an eine französische Gesellschaft ausgeschüttete Dividenden nie besteuert, wenn diese ihre Geschäftstätigkeit eingestellt hat, bevor sie ein positives Steuerergebnis erzielt.
Der EuGH stellt fest, dass eine Regelung, wonach ausländische Gesellschaften nicht in den Genuss einer Steueraufschubregelung kommen können, zu einer Ungleichbehandlung gebietsansässiger und ausländischer Gesellschaften führt, die den freien Kapitalverkehr behindert.
Aufgrund dieses Urteils können ausländische Gesellschaften mit Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat eine Rückerstattung der Quellensteuer verlangen, die auf ausgeschüttete Dividenden trotz des Bestehens eines negativen Steuerergebnisses erhoben wurde. Dieses Urteil dürfte ebenfalls in einem Drittstaat ansässige ausländische Gesellschaften betreffen, sofern dieser Drittstaat die Voraussetzungen für den Grundsatz des freien Kapitalverkehrs erfüllt.
Gemäß der französischen Steuerverfahrensordnung müssen die Klagen bis zum 31.12. des zweiten Jahres eingereicht werden, das auf das Jahr folgt, während dem die Quellensteuer erhoben wurde. Für die in 2017 erhobene Quellensteuer müssen die Anträge auf Rückerstattung also bis zum 31.12.2019 eingereicht werden.
HANDELSRECHT - Vertragsbeendigung: Kündigungsklausel, Kündigung wegen schwerer Vertragsverletzung und Kündigungsfrist
In zwei Urteilen vom 17.10.2018 und 14.11.2018 hat sich der Kassationshof zu den Voraussetzungen für die Anwendung einer Kündigungsklausel und zu der Unvereinbarkeit einer Kündigung wegen schwerwiegender Vertragsverletzung mit einer Kündigungsfrist geäußert.
Im ersten Fall hatte der Eigentümer eines Gebäudes einen Kaufvertrag mit Leibrente mit einem Unternehmen abgeschlossen. Die Kündigungsklausel des Vertrages sah vor, dass die Nichtzahlung der Leibrente durch den Käufer trotz Mahnbescheid mit Hinweis auf die Kündigungsklausel und der Zustellung einer Zahlungsaufforderung zu einer automatischen Aufhebung des Verkaufs führt.
Da der Käufer die Rückstände nicht bezahlte, forderte er den Verkäufer mit Hinweis auf die Auflösungsklausel zur Zahlung auf und klagte auf Feststellung der Auflösung des Kaufvertrages mit Wirkung zu dem Tag, an dem die Zahlungsaufforderung zugestellt worden war.
Das Berufungsgericht stellte fest, dass in der Zahlungsaufforderung auf die Kündigungsklausel Bezug genommen wurde, erklärte die Klausel für gültig und den Kaufvertrag damit ab dem Tag der Zahlungsaufforderung für aufgelöst.
Der Kassationshof hat dieses Urteil mit der Begründung aufgehoben, dass, wenn die Kündigungsklausel vorsieht, dass die Kündigung des Vertrages nach erfolgloser Zustellung einer Zahlungsaufforderung erfolgt, diese Zahlungsaufforderung eine Frist zur Zahlung der ausstehenden Beträge durch den Käufer vorsehen muss. Da diese Voraussetzung nicht erfüllt war, konnte die Kündigung nicht am Tag der Zustellung der Zahlungsaufforderung wirksam werden.
Im zweiten Fall hatte eine Klinik mit einem Radiologen einen Nutzungsvertrag über ein medizinisches Gerät abgeschlossen. Der Vertrag sah vor, dass jede Partei den Vertrag mit einer Frist von 6 Monaten und Zahlung einer Kündigungsentschädigung an den Arzt im Falle der Kündigung des Vertrages durch die Klinik kündigen kann. Die Klinik kündigte den Vertrag wegen einer schweren Vertragsverletzung entschädigungslos mit einer Frist von 6 Monaten. Der Arzt klagte daraufhin gegen die Klinik auf die Zahlung der Entschädigung.
Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass das Verhalten des Arztes ein berufliches Fehlverhalten darstellen kann, jedoch in keinem Fall eine schwere Vertragsverletzung, und hat deshalb die Klinik zur Zahlung einer Entschädigung verurteilt.
Zur Begründung ihres Revisionsantrags trägt die Klinik vor, dass das Verhalten einer der Parteien bei der Erfüllung des Vertrages ein schweres Fehlverhalten, das eine Kündigung des Vertrages ohne Entschädigung rechtfertigt, darstellen kann.
Das Kassationsgericht weist dieses Argument mit der Begründung zurück, dass die Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten eine Bewertung als schweres Fehlverhalten ausschließt, da ein schweres Fehlverhalten die weitere Durchführung des Vertrags während der Kündigungsfrist unmöglich macht.
Unser praktischer Hinweis:
- Eine Klausel über eine automatische Kündigung muss sorgfältig formuliert werden und insbesondere die Frist vorsehen, innerhalb derer der Schuldner nach Aufforderung seinen vertraglichen Pflichtennachkommen kann.
- Eine Kündigung wegen eines schweren Fehlverhaltens schließt eine Kündigungsfrist aus.
CORPORATE - Wirksamkeit der Abtretung von Geschäftsanteilen zum symbolischen Preis von einem Euro
Eine Veräußerung von Geschäftsanteilen zum symbolischen Preis von € 1 ist nicht nichtig, wenn sie von Verpflichtungen des Erwerbers begleitet wird. Das geht aus dem Urteil vom 10.10.2018 hervor, in dem der Kassationshof über die Voraussetzungen für die Wirksamkeit der Abtretung von 3.000 Geschäftsanteilen mit einem Nennwert von € 10 zum Preis von € 1 durch einen Gesellschafter entschieden hat.
Im vorliegenden Fall war die Abtretung der Geschäftsanteile zum Preis von € 1 von wechselseitigen Verpflichtungen des Veräußerers und des Erwerbers begleitet. Letzterer hatte sich insbesondere dazu verpflichtet, das Gesellschafterkonto eines ausgeschiedenen Gesellschafters, alle Verbindlichkeiten der veräußerten Gesellschaft und deren Mehrwertsteuerschulden sowie weitere Schulden der Gesellschaft zu übernehmen. Der Veräußerer hatte sich seinerseits verpflichtet, alle seine Gesellschafterkonten bei der veräußerten Gesellschaft und ihren Tochtergesellschaften aufzugeben und Gläubiger zu befriedigen.
Nach dem Verkauf erhob der Veräußerer, der die Abtretung rückgängig machen wollte, Klage auf die Feststellung der Nichtigkeit der Abtretung wegen eines zu geringen Preises.
Für die Prüfung der Wirksamkeit der Abtretung hat der Kassationshof nicht nur den Preis geprüft, sondern auch die zahlreichen Verpflichtungen der Parteien analysiert, die vorliegend den Preis gerechtfertigt haben. Der Kassationshof hat feststellt, dass substanzielle und präzise bewertete Gegenleistungen zugunsten des Verkäufers vereinbart wurden, und hat deshalb die Wirksamkeit der Abtretung bestätigt.
Diese Entscheidung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Kassationshofs, der zufolge die vertraglichen Rahmenbedingungen der Abtretung von Geschäftsanteilen oder Aktien für die Prüfung berücksichtigt werden müssen, ob diese dem Verkäufer tatsächlich einen Vorteil verschafft haben.
Dieses Urteil unterstreicht ebenfalls, die Bedeutung der Rechtfertigung der Höhe des Preises bei der Abtretung von Geschäftsanteilen und Aktien Aktienrechten, auch im Falle von konzerninternen Abtretungen. Es sei daran erinnert, dass die Parteien in der Lage sein müssen, den Kaufpreis durch andere Verpflichtungen zu rechtfertigen, um spätere Streitigkeiten zu vermeiden.
IMMOBILIENRECHT - Kürzere Verfahren für städtebauliche Rechtsstreitigkeiten und „permis de faire“
Eine kürzlich erlassene Durchführungsverordnung und das Gesetz ELAN streben mehr Effizienz und Rechtssicherheit in städtebaulichen Rechtsstreitigkeiten an. Gleichzeitig wurde durch das Gesetz ESSoC eine sogenannte Handlungsgenehmigung („permis de faire“) geschaffen, die die Durchführung von innovativen Bauprojekten fördern soll.
Viele Bauvorhaben verzögern sich durch Rechtsmittel und die Dauer von Gerichtsverfahren. Die Verordnung vom 17.07.2018 führt daher strengere Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln Dritter, den Ablauf des Verfahrens und die verfügbaren Rechtsmittel ein. Diese haben insbesondere das Ziel, die Fristen in städtebaulichen Rechtsstreitigkeiten zu verkürzen. So wurde die Widerspruchsfrist nach Abschluss der Bauarbeiten gegen eine nicht ordnungsgemäß in der Stadtverwaltung ausgehängte Baugenehmigung von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt. Die Parteien in einem Verfahren können sich nach Ablauf von zwei Monaten nach der Zustellung des ersten Erwiderungsschriftsatzes nicht mehr auf neue Anfechtungsgründe stützen. Der Richter verfügt zudem über eine Frist von höchstens zehn Monaten, um über eine Klage gegen eine Baugenehmigung für mehr als zwei Wohnungen oder gegen die Genehmigung der baulichen Veränderung einer Wohnanlage zu entscheiden. Darüber hinaus kann jeder bei der Geschäftsstelle des Gerichts die Erteilung einer Bescheinigung über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Klage gegen eine städtebauliche Genehmigung beantragen.
Das Gesetz ELAN vom 23.11.2018 begrenzt ebenfalls die Zulässigkeit von Rechtsmitteln gegen städtebauliche Genehmigungen. So finden die strengen Voraussetzungen für das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses nun auf alle städtebaulichen Genehmigungen Anwendung. Außerdem ist die Aussetzung der Durchführung einer städtebaulichen Genehmigung bei Bestehen eines anhängigen Verfahrens gegen diesen Verwaltungsakt nicht mehr möglich, wenn die Parteien des Verfahrens keine neuen Anfechtungsgründe mehr vorbringen können. Der Begünstigte der Genehmigung kann im Falle von missbräuchlichem Verhalten des Antragsstellers nunmehr auch Schadensersatz erhalten, wenn ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist.
Angesichts der städtebaulichen Zwänge, die Bauvorhaben verzögern können, hat das Gesetz ESSoC vom 10.08.2018 eine sogenannte Handlungsgenehmigung eingeführt, die während Bauarbeiten, für die eine Bau- oder Umbaugenehmigung notwendig ist, Ausnahmen von bestimmten baurechtlichen Regelungen ermöglicht. Diese Handlungsgenehmigung betrifft Bauprojekte, die aus architektonischer oder technischer Sicht einen innovativen Charakter aufweisen und die zu den gleichen Ergebnissen kommen, wie die baurechtlichen Bestimmungen von denen abgewichen werden soll. Die baurechtlichen Bestimmungen betreffen insbesondere Brandschutz, Belüftung, Zugänglichkeit oder Energie- und Umweltbilanz. Die Gleichwertigkeit der Ergebnisse und die Innovation des Bauvorhabens werden von einer per Verordnung bezeichneten Behörde bescheinigt.
GGV in eigener Sache
Die Firma von GGV Paris hat sich geändert und lautet nunmehr GGV Avocats – Rechtsanwälte. Die Kanzlei hat außerdem eine neue Rechtsform (A.A.R.P.I.).
GGV Paris hat die exklusive Zusammenarbeit mit den Büros von GGV in Deutschland mit dem Ziel beendet, ihr Partnernetzwerk in Deutschland zu erweitern. So kann GGV Paris ihren Mandanten verschiedene Ansprechpartner mit unterschiedlichen Profilen vorschlagen, die maßgeschneiderte Lösungen anbieten.
Caroline Blondel, die seit 2011 bei GGV Paris als Mitarbeiterin tätig ist, wurde zur Partnerin ernannt. Sie berät und unterstützt internationale Unternehmen bei Unternehmenskäufen und -verkäufen, im Gesellschaftsrecht, im Handelsrecht und bei Rechtsstreitigkeiten in Frankreich.
GGV Avocats – Rechtsanwälte organisiert am 31.01.2019 einen Compliance-Workshop zum Thema „Beteiligung des Leitungsorgans – Vorbereitung der Kontrollen durch die Behörden“. Um sich per E-Mail an dieser Veranstaltung anzumelden, klicken Sie bitte hier.
Am 07.02.2019 organisiert das Arbeitsrecht-Team von 9 bis 12 Uhr eine Schulung zu den neuesten Änderungen im Arbeitsrecht. Um sich per E-Mail zu dieser Veranstaltung anzumelden, klicken Sie bitte hier.