Deutsch-Französischer Informationsbrief | November 2021
In diesem zweisprachigen Informationsbrief möchten wir Sie über aktuelle rechtliche und steuerrechtliche Entwicklungen in Deutschland und Frankreich informieren. Dieser Brief ist von der Deutsch-Französischen Équipe von GGV verfasst, die sich auf die Beratung von Unternehmen aus französischsprachigen Ländern in Deutschland und von Unternehmen aus deutschsprachigen Ländern in Frankreich spezialisiert hat.
News Frankreich
- HANDELSRECHT - Gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit: wichtige Neuerungen
- HANDELSRECHT - Allgemeine Verkaufsbedingungen und Allgemeine Einkaufsbedingungen
- HANDELSRECHT - Kein Anspruch des Kunden gegen die Bank für nicht autorisierte Zahlungen, die nicht innerhalb von 13 Monaten angezeigt wurden
- ARBEITSRECHT - Welche Erkenntnisse sich aus der branchenübergreifenden Kollektivvereinbarung über als cadre-Mitarbeiter gewinnen lassen
- ARBEITSRECHT - Das Klimagesetz und die neuen Pflichten zur Anhörung des Betriebsrats
- ARBEITSRECHT - Das Gesetz zur Verstärkung der Vorbeugung von Risiken für die Gesundheit am Arbeitsplatz und das „einheitliche Dokument zur Beurteilung von Gefahren am Arbeitsplatz“
- COMPLIANCE - Menschenrechte und Umweltbelange in Lieferketten – ein Überblick über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG
- DATENSCHUTZ - Der französische Kassationsgerichtshof stellt klar, welche Handlungen eine Markenverletzung darstellen können
- DATENSCHUTZ - Schädigung von Cyberangriffsopfern und Grenzen der Entschädigung
- DATENSCHUTZ - Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL veröffentlicht einen Leitfaden zur Selbsteinschätzung der Reife des Datenschutzmanagements
- CORPORATE - Neue Bestimmungen für ausländische Investitionen in Frankreich
- CORPORATE - Die Erweiterung der Insolvenzmasse auf das Vermögen der Muttergesellschaft
- CORPORATE - Kurzmeldung - Einreichung des Jahresabschlusses
- FINANZWESEN Die wesentlichen Neuerungen der Reform des Sicherheitsrechts für ausländische Unternehmen
News Frankreich
HANDELSRECHT - Gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit: wichtige Neuerungen
Eine Verordnung vom 29. September 2021, die die Richtlinien 2019/770/EU und 2019/771/EU umsetzt, führt die gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen ab dem 1. Januar 2022 in das französische Recht ein und vervollständigt auch die gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit für den Verkauf von Waren.
Die neue gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit gilt nach französischem Recht sowohl für Verträge, die zwischen Unternehmern und Verbrauchern geschlossen werden, als auch für Verträge, die zwischen Unternehmern und Nichtunternehmern geschlossen werden. Ein Nichtunternehmer ist seit 2017 als eine juristische Person, die nicht zu gewerblichen Zwecken handelt, definiert.
Diese neue gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit gilt für alle Verträge, die gegen Entgelt geschlossen werden, nach französischem Recht auch für Verträge, bei denen der Verbraucher dem Unternehmer anstelle eines Preises oder zusätzlich zu diesem einen Vorteil erbringt. Dies betrifft beispielsweise (aber nicht nur) die Verwendung personenbezogener Daten, die im Rahmen der Nutzung eines sozialen Netzwerks erhoben wurden.
Die Abhilfen im Falle der Vertragswidrigkeit von Waren sind nach wie vor die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Wahl des Verbrauchers, andernfalls die Minderung des Preises oder die Beendigung Vertrags. Die Abhilfen, die im Falle der Vertragswidrigkeit digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen zur Verfügung stehen, funktionieren nach demselben Prinzip. Auch die Gewährung von Schadenersatz bleibt möglich.
Auch die Dauer der Gewährleistung für Waren ist unverändert (zwei Jahre). Für digitale Inhalte und digitale Dienstleistungen, die in einer einzigen Transaktion (z. B. Herunterladen einer Datei) erworben wurden, beträgt die Gewährleistungsfrist ebenfalls zwei Jahre. Wird das digitale Element fortlaufend geliefert (z. B. Abonnement eines Streaming-Dienstes), gilt die Gewährleistung für die Dauer der Lieferung des betreffenden digitalen Elements, unabhängig davon, ob sie länger oder kürzer als zwei Jahre ist.
Besondere Bestimmungen betreffen Verträge über die Lieferung von Waren mit untrennbaren digitalen Elementen, typischerweise “verbundene Gegenstände”, bei denen die Gewährleistungsregelung den gemischten Charakter zwischen Waren und Dienstleistungen berücksichtigt.
Weitere Bestimmungen beziehen sich auf Aktualisierungen, die erforderlich sind, um die Vertragsmäßigkeit digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen aufrechtzuerhalten, auf mögliche Änderungen der digitalen Inhalte oder der digitalen Dienstleistungen nach Vertragsabschluss, auf das Recht auf Rückgabe der genutzten Inhalte im Falle der Beendigung des Vertrags über digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen sowie auf die Informationspflichten gegenüber dem Verbraucher.
Neben dem breiteren Anwendungsbereich als in den Richtlinien vorgesehen (z.B. Anwendung auf Nichtunternehmer; Verträge, durch die der Verbraucher dem Unternehmer einen Vorteil verschafft) übernimmt die Verordnung weitere Bestimmungen des französischen Rechts bei, die über die Anforderungen des EU-Rechts hinausgehen. So ist der Hersteller beispielsweise verpflichtet, Informationen über die Dauer der Bereitstellung von Aktualisierungen zu geben; außerdem ist ein Recht auf eine sechsmonatige Verlängerung der Gewährleistung für im Rahmen der Gewährleistung nachgebesserte Waren vorgesehen. Es ist auch möglich, eine neue Garantie für den Fall zu erhalten, dass die Ware ersetzt wird, während eine Nachbesserung beantragt wurde. Andere in der Verordnung festgelegte Verpflichtungen orientieren sich an denen, die für Verträge über elektronische Kommunikationsdienste gelten (vertragliche Informationspflichten, Begrenzung der Vertragslaufzeit auf zwei Jahre und eine maximale Kündigungsfrist von zehn Tagen, wenn ein Kündigungsrecht besteht).
Um sicherzustellen, dass die Unternehmer diese neuen Bestimmungen einhalten, sieht die Verordnung auch zahlreiche verwaltungsrechtliche Sanktionen sowie eine neue zivilrechtliche Sanktion vor, die auf Antrag der für Wettbewerb und Verbrauch zuständigen Verwaltungsbehörde, der Verbraucherschutzverbände, der Staatsanwaltschaft oder eines Verbrauchers vom Richter verhängt werden kann.
Auch wenn die gesetzliche Gewährleistung der Vertragsmäßigkeit das Ergebnis der Umsetzung von europäischen Richtlinien ist, muss jedes Unternehmen, das seine Tätigkeit auf französische Verbraucher ausrichtet, besonders auf die Einhaltung der Besonderheiten des französischen Verbraucherrechts achten.
HANDELSRECHT - Allgemeine Verkaufsbedingungen und Allgemeine Einkaufsbedingungen
Die Allgemeinen Verkaufsbedingungen (AVB) haben keinen Vorrang vor den Allgemeinen Einkaufsbedingungen (AEB). Die für den Verkauf geltenden Bedingungen sind die Bedingungen, die von den Parteien gegenseitig akzeptiert worden sind.
Berufungsgericht Paris, Abteilung 5 – Kammer 5, 17. Juni 2021, Nr. 17/05445
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Ein Unternehmen, das eine verspätete Lieferung seiner Einkäufe von seinem Lieferanten beanstandete, hatte in erster Instanz eine Verurteilung seines Handelspartners zum Ersatz der durch die Lieferverzögerungen verursachten Margenverluste und der von seinen eigenen Handelspartnern aufgrund dieser Verzögerungen erhobenen Vertragsstrafen erwirkt.
Im Rahmen des Bestellungsprozesses hatte der Käufer Bestellformulare mit seinen AEB verschickt, die der Lieferant erhalten hatte und dazu gleichzeitig seine eigenen AVB übermittelt hatte.
Im Berufungsverfahren berief sich der Lieferant auf die früheren Bestimmungen von Artikel L.441-6 des französischen Handelsgesetzbuchs, wonach die allgemeinen Verkaufsbedingungenen die „einzige Ausgangsbasis für die geschäftlichen Verhandlungen“ darstellen.
Auf Basis dieses vom Gesetzgeber aufgestellten Grundsatzes argumentierte der Lieferant, dass seine AVB Vorrang vor den AEB des Käufers hätten und dass diese allein anwendbar seien.
Zur Beantwortung der Frage, welche allgemeinen Geschäftsbedingungen letztlich auf das Handelsgeschäft anwendbar sind, vertrat das Pariser Berufungsgericht die Auffassung, dass der Gesetzgeber mit seiner Bestimmung, wonach –die allgemeinen Verkaufsbedingungen die einzige Ausgangsbasis für die geschäftlichen Verhandlungen bilden, nicht „ausdrücklich“ vorgesehen hat, dass sie „automatisch Vorrang vor den allgemeinen Einkaufsbedingungen haben, sofern diese existieren“.
Das Gericht vertrat daraufhin die Auffassung, dass der Lieferant, indem er seine AVB gegenüber den AEB auf den Bestellformularen durchsetzen wollte, im Gegenteil bewiesen hatte, dass er die AEB seines Handelspartners nicht akzeptiert hatte.
Infolgedessen kamen die Richter zu dem Schluss, dass die AVB und die AEB nicht anwendbar sind: „bei Vorliegen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, deren wesentliche Bestimmungen nicht miteinander vereinbar sind, ist davon auszugehen, dass sie sich gegenseitig aufheben und dass keine Allgemeine Geschäftsbedingung anwendbar ist“.
FAZIT von GGV: Wurden die AEB und die AVB nicht akzeptiert und haben sich die Vertragsparteien nicht auf die anwendbaren allgemeinen Geschäftsbedingungen geeinigt, unterliegt das Handelsgeschäft weiterhin dem allgemeinen Recht, ohne dass die AVB automatisch Vorrang vor den AEB haben. Hier gilt allein der Grundsatz der Übereinstimmung der Willenserklärungen zweier Parteien.
HANDELSRECHT - Kein Anspruch des Kunden gegen die Bank für nicht autorisierte Zahlungen, die nicht innerhalb von 13 Monaten angezeigt wurden
Der EuGH hat entschieden, dass die Bank von einem Zahlungsdienstnutzer nach Ablauf der 13-monatigen Frist für eine nicht autorisierte Zahlung nicht haftbar gemacht werden kann.
EuGH, 2. September 2021, C-337/20, Caisse régionale de Crédit agricole mutuel (CRCAM) – Alpes-Provence
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Der EuGH hatte zu entscheiden, ob ein Zahlungsdienstnutzer, der die Bank nicht innerhalb der gesetzlich vorgesehenen 13-monatigen Frist über eine nicht autorisierte Zahlung informiert hat, die Bank dennoch auf der Grundlage einer anderen Haftungsregelung haftbar machen kann.
Es gibt eine besondere Haftungsregelung für Zahlungsdienste, die es dem Zahlungsdienstnutzer ermöglicht, eine nicht autorisierte Zahlung innerhalb von 13 Monaten zu widerrufen und die Erstattung der in Frage stehenden Beträge zu erwirken (Artikel L. 133-24 des französischen Code monétaire et financier).
In einem Rechtsstreit zwischen einer Bank, ihrem Kunden und dessen Bürgen behauptete der Bürge des Kunden, dass Überweisungen ohne seine Genehmigung erfolgt seien. Der Bürge verlangte, dass die Beträge, die den nicht autorisierten Überweisungen entsprachen, von den Beträgen abgezogen werden, die er der Bank schuldete. Die Bank machte geltend, dass auf Grund der Überschreitung der 13-monatigen Frist kein Anspruch bestehe.
In seinem Urteil vom 02.09.2021 stellt der EuGH fest, dass die Haftung der Bank gegenüber dem Zahlungsdienstnutzer nicht außerhalb der gesetzlich vorgesehenen Haftungsregelung, die eine 13-monatige Verjährungsfrist vorsieht, besteht. Insbesondere eine Klage wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht ist daher nicht möglich.
Der EuGH stellt jedoch fest, dass der Bürge kein “Zahlungsdienstnutzer” ist und die besondere Haftungsregelung mit der 13-monatigen Frist keine Anwendung findet. So kann sich der Bürge insbesondere auf eine Verletzung der Sorgfaltspflicht berufen, um die Bank in Haftung zu nehmen.
Tipp von GGV: Sind Sie Bankkunde, so melden Sie jede nicht autorisierte Zahlung innerhalb von 13 Monaten, sonst ist es zu spät!
ARBEITSRECHT - Welche Erkenntnisse sich aus der branchenübergreifenden Kollektivvereinbarung über als cadre-Mitarbeiter gewinnen lassen
In Frankreich wurde die nationale branchenübergreifende Kollektivvereinbarung (accord national interprofessionnel, ANI), die am 28. Februar 2020 zwischen den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften geschlossen wurde und verschiedene Leitlinien für cadre (insbesondere Arbeitnehmer mit Führungsaufgaben und/oder besonderer Qualifikation) enthält, am 17. September 2021 für allgemeinverbindlich erklärt.
Obwohl die Bestimmungen der Vereinbarung nunmehr für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich sind, enthalten sie hauptsächlich Empfehlungen. Dennoch sind mehrere Aspekte der Vereinbarung von Bedeutung.
Aus der Vereinbarung ergeben sich in erster Linie die Charakteristika für die Aufgaben eines als cadre-Mitarbeiters. Der Vereinbarung zufolge zeichnet sich eine Position als cadre durch Folgendes aus:
– „Die Befähigung zur Wahrnehmung von überwiegend intellektuellen Aufgaben, bei denen in hohem Maße Urteilsvermögen erforderlich ist, das sich aus theoretischen, technischen oder beruflichen Kenntnissen, Wissen und Know-how ergibt, die anerkannt sind:
- entweder durch ein Diplom oder einen Hochschulabschluss;
- oder durch anerkannte Erfahrung, die durch praktische Berufserfahrung und/oder durch berufliche Fortbildung erworben wurden
– Aufgaben, die mit sich bringen, dass das Mitdenken und/oder die Handlungen von anderen Mitarbeitern bedingt oder veranlasst wird und dass diese somit einen wesentlichen Einfluss in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Gesellschaft und Ökologie haben;
– Einen ausreichenden Handlungsspielraum für Initiativen und autonomes Handeln, dessen Umfang von der ihm übertragenen Verantwortung und/oder der ihm erteilten Bevollmächtigung mit Haftungsübergang (délégation de pouvoirs) abhängt;
– Eine tatsächliche Verantwortung, die zur Leitung und Entwicklung des Unternehmens beiträgt:
- entweder durch das Management, die Koordinierung oder die Führung einer mehr oder weniger großen Gruppe von Mitarbeitern;
- oder durch Studien, Forschung, Projektgestaltung oder anderen Aktivitäten.“
Diese Definition ist eine interessante Hilfe für die Entscheidung darüber, ob eine Stelle mit einem cadre besetzt werden sollte, und ergänzen die Kriterien für die Einstufung, die in dem auf das Unternehmen anwendbaren Tarifvertrag vorgesehen sind.
In der Vereinbarung wird klargestellt, dass eine Einstufung als cadre selbstverständlich von den Kriterien der Branche abhängt, dem das Unternehmen angehört.
Im Hinblick auf die Kompetenzen und die Verantwortung, die mit der Position eines cadre verbunden sind, enthält die Vereinbarung vom 28. Februar 2020 mehrere wichtige Empfehlungen für Arbeitgeber bezüglich der Bevollmächtigung von cadre-Mitarbeitern mit Haftungsübergang und erinnert daran, dass der Arbeitgeber „sicherstellen muss, dass der Bevollmächtige:
- über die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen technischen und rechtlichen Kenntnisse verfügt und in der Lage ist, diese umzusetzen: Er muss also den Inhalt der Vorschriften, für deren Anwendung er sorgen muss, kennen und verstehen. Bei Bedarf muss der Arbeitgeber die Fortbildungsmaßnahmen durchführen, die notwendig sind, damit der bevollmächtigte cadre-Mitarbeiter die ihm gewährten Befugnisse ordnungsgemäß wahrnehmen kann;
- über die Mittel verfügt, um die ihm übertragenen Aufgaben wahrzunehmen: dabei handelt es sich um ausreichenden Handlungsspielraum, aber auch um materielle, personelle, finanzielle und technische Ressourcen und Mittel, die ihm erlauben, das Niveau seiner Kompetenzen aufrecht zu erhalten.”
Die Vereinbarung vom 28. Februar 2020 befasst sich auch mit der Frage der Berufsethik und macht die Arbeitgeber sowie die cadre-Mitarbeiter darauf aufmerksam, dass die Wahrnehmung ihrer Aufgaben mit der Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Möglichkeit einhergeht, von ihren Warnrechten und von ihrem Rückzugsrecht Gebrauch zu machen, wenn die Umstände dies erfordern. Arbeitgeber werden außerdem ermutigt, unternehmensinterne Ethik-Richtlinien einzuführen.
Im Hinblick auf die technologischen Entwicklungen nimmt die Vereinbarung Stellung zum Thema freie Meinungsäußerung über Kommunikations-Netzwerke. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass
„Jeder die Möglichkeiten, die diese Kommunikationsmittel bieten, nutzen kann, unter Berücksichtigung der Risiken, die damit einhergehen.“
Außerdem wird bezüglich der Nutzung von öffentlich sozialen Netzwerken darauf hingewiesen, dass „die Mitarbeiter darauf achten müssen, diese unter Beachtung ihrer Pflichten gegenüber dem Unternehmen zu nutzen.“
Wie der Begriff „öffentlich“ zu verstehen ist, wird jedoch nicht erläutert. Diesbezüglich kann auf die Definition der Rechtsprechung zurückgegriffen werden.
Eine weitere Empfehlung der Vereinbarung bezüglich der Beurteilung von Mitarbeitern halten wir ebenfalls für interessant. Der Arbeitgeber wird hier aufgefordert, dafür zu sorgen, dass:
- dem Arbeitnehmer und insbesondere dem cadre-Mitarbeiter transparent mitgeteilt wird, mit welchen Methoden und zu welchem Zweck die Beurteilung erfolgen soll, sowie welche Ziele er setzt und welche Mittel die Zielerreichung ermöglichen
- die Festsetzung der Ziele im Rahmen eines Austauschs mit dem Arbeitnehmer erfolgt
Die Beurteilung des Mitarbeiters kann auch die Festlegung von Zwischenzielen vorsehen, was es ermöglicht, die Ziele anzupassen und zur besseren Leistung eines Mitarbeiters und des Unternehmens beizutragen.
Vor der Festsetzung von Zielen sollte also ein Gespräch mit dem Mitarbeiter geführt werden, der seinerseits im Laufe des Jahres um die Anpassung seiner Ziele bitten kann.
Ein weiterer interessanter Punkt der Vereinbarung betrifft das Thema “Work-Life Balance”. In einer Logik der Teilung von Rechten und Pflichten, ist es ein Schlüsselfaktor für den individuellen und kollektiven Erfolg im Unternehmen, cadre zu ermöglichen, ihr Berufs- und Privatleben vernünftig in Einklang zu bringen, beispielsweise durch die tatsächliche Möglichkeit der Ausübung des Rechts auf Abschalten oder durch eine angemessene Kontrolle der Arbeitsbelastung.
Mit der Logik der Teilung von Rechten und Pflichten wird die Notwendigkeit einer Kontrolle der Work-Life-Balance unterstrichen, sowohl durch den Arbeitgeber, der zur Beachtung des Rechts auf Ruhezeiten und des Rechts auf Abschalten verpflichtet ist, als auch durch den Arbeitnehmer, der seine Arbeit in einer vernünftigen Zeit erledigen muss. Der Begriff der angemessenen Kontrolle der Arbeitsbelastung bleibt zu definieren.
Abschließend wird in der Vereinbarung die Frage Schulung im Bereich Management von cadre-Mitarbeiter angesprochen:
Cadre, die eine Position mit Führungsaufgaben antreten, muss besondere Aufmerksamkeit im Hinblick auf die Möglichkeit ihrer Fortbildung, insbesondere in den Bereichen zwischenmenschliche Beziehungen, Sicherheit und Arbeitsrecht, geschenkt werden.
Die Notwendigkeit, cadre im Bereich zwischenmenschliche Beziehungen zu schulen, knüpft direkt an den von der Rechtsprechung entwickelten Begriff des unzulänglichen Managements an, für die eine Schulung der cadre-Mitarbeiter, wie sie in der Vereinbarung genannt ist, eine Lösung oder zumindest einen Bezugsrahmen darstellen könnte.
ARBEITSRECHT - Das Klimagesetz und die neuen Pflichten zur Anhörung des Betriebsrats
Das Klimagesetz vom 22. August 2021, das am 25. August 2021 in Kraft getreten ist, sieht wichtige Änderungen bezüglich der Rolle des Betriebsrates CSE (Comité social et économique) im Bereich Umweltschutz vor.
Der Betriebsrat von Unternehmen mit mindestens 50 Arbeitnehmern erhält durch das Klimagesetz ausdrücklich neue für den Umweltschutz relevante Aufgaben (Art. 40 und 41 des Klimagesetzes).
Die allgemeine Aufgabe des Betriebsrates besteht darin, gemäß Artikel L. 2312-8 I des Arbeitsgesetzbuches, „eine kollektive Meinungsäußerung der Arbeitnehmer“ zu gewährleisten, „die es ermöglicht, deren Interessen bei Entscheidungen über die Leitung und die wirtschaftliche und finanzielle Entwicklung des Unternehmens, die Arbeitsorganisation, die Fortbildung und die Produktionstechniken ständig zu berücksichtigen“.
Der allgemeine Aufgabenbereich wurde durch das Klimagesetz erweitert: die kollektive Meinungsäußerung der Arbeitnehmer muss künftig auch im Hinblick auf die Folgen dieser Entscheidungen für die Umwelt gewährleistet werden.
Die Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats zu allen vom Arbeitgeber beabsichtigten Entscheidungen, die die Organisation, die Leitung oder den allgemeinen Betrieb des Unternehmens betreffen, ist nunmehr vervollständigt und sieht vor, dass der Betriebsrat über die Folgen der beabsichtigten Entscheidung für die Umwelt informiert und zu dieser angehört werden muss.
Diese neue Pflicht ermöglicht somit, dass die Folgen von Entscheidungen des Arbeitgebers für die Umwelt tatsächlich berücksichtigt und analysiert werden.
Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine Anhörung zu einem geplanten Umzug stattfindet. Der Betriebsrat muss dann über die Folgen des Umzugs für die Umwelt, z.B. durch eine Energiediagnose künftiger Räumlichkeiten, informiert werden. Auf der Grundlage dieser Informationen kann der Betriebsrat seine Anmerkungen und eventuellen Vorschläge darlegen. Der Arbeitgeber muss dann einen Bericht über die Berücksichtigung der Stellungnahmen und Wünsche des Betriebsrats vorlegen (L. 2312-15 des Arbeitsgesetzbuches).
Die Änderung der Pflichten zur periodischen Anhörung des Betriebsrats
Artikel L. 2312-17 des Arbeitsgesetzes, der drei periodische Anhörungspflichten über die strategische Ausrichtung des Unternehmens, seine wirtschaftliche und finanzielle Lage, seine Sozialpolitik sowie seine Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vorsieht, wurde durch das Klimagesetz geändert.
Die periodischen Anhörungspflichten wurden um die Pflicht, den Betriebsrat über die Folgen der Aktivität des Unternehmens auf die Umwelt zu informieren, erweitert.
Artikel L. 2312-17 des Arbeitsgesetzes ist eine zwingende Vorschrift, was bedeutet, dass die Pflicht zur Anhörung des Betriebsrats nicht Gegenstand von abweichenden Regelungen einer Betriebsvereinbarung sein kann. Selbst wenn eine Betriebsvereinbarung über die Anhörung des Betriebsrats abgeschlossen wurde, der dieses Thema nicht behandelt, muss der Arbeitgeber darüber informieren.
Die wirtschaftliche Schulung der Mitglieder des Betriebsrats beinhaltet nunmehr auch das Thema Umwelt
In Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten haben die amtierenden Mitglieder des Betriebsrats Anspruch auf eine wirtschaftliche Schulung bis zu fünf Tagen.
Das Klimagesetz bestimmt, dass „sich diese Schulung insbesondere auf die Folgen der Aktivität der Unternehmen für die Umwelt erstrecken kann“ (Artikel L. 2315-63 des Arbeitsgesetzbuches). Die Mitglieder des Betriebsrats haben also die Möglichkeit, eine spezifische Schulung im Bereich Umwelt zu absolvieren.
Einbeziehung einer Umweltkomponente in die Mission des Gutachters des Betriebsrats
Die Mission des Wirtschaftsprüfers, den der Betriebsrat zum Gutachter bestellen kann, ist durch das Klimagesetz erweitert worden.
Dieser kann nunmehr im Rahmen der drei periodischen Anhörungen gemäß Artikel L. 2312-17 des Arbeitsgesetzbuches die Folgen der Aktivität des Unternehmens für die Umwelt analysieren.
In Artikel L. 2315-87-1 des Arbeitsgesetzbuches wird in der Tat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass „ die Mission des Wirtschaftsprüfers alle wirtschaftlichen, finanziellen, sozialen oder ökologischen Aspekte“ betrifft, die für das Verständnis der strategischen Ausrichtung des Unternehmens (Art. L. 2315-87-1 des Arbeitsgesetzbuches) und der Bilanzen sowie die Beurteilung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage des Unternehmens (Art. L. 2315-89 des Arbeitsgesetzbuches), der Sozialpolitik des Unternehmens, der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen (Art. L. 2315-91-1 des Arbeitsgesetzes) erforderlich sind.
ARBEITSRECHT - Das Gesetz zur Verstärkung der Vorbeugung von Risiken für die Gesundheit am Arbeitsplatz und das „einheitliche Dokument zur Beurteilung von Gefahren am Arbeitsplatz“
Das Gesetz zur Verstärkung der Vorbeugung von Risiken für die Gesundheit am Arbeitsplatz vom 2. August 2021 wird im Wesentlichen am 31. März 2022 in Kraft treten. Als Teil der neuen Maßnahmen für die Vorbeugung wurde das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung sowie der Erstellung, Kommunikation und Aufbewahrung des sogenannten einheitlichen Dokuments zur Beurteilung von Gefahren am Arbeitsplatz (DUERP) verstärkt.
Im Rahmen seiner allgemeinen Pflicht zur Gewährleistung der Sicherheit und zum Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Gefahren, denen seine Arbeitnehmer ausgesetzt sind, zu beurteilen und geeignete Vorbeugemaßnahmen zu treffen.
Die Gefährdungsbeurteilung erstreckt sich derzeit noch auf die Wahl der Herstellungsverfahren, Arbeitsmittel und der chemischen Stoffe oder Zubereitungen, sowie auf die Gestaltung oder Umgestaltung von Arbeitsplätzen oder betrieblichen Einrichtungen und die Festlegung von Arbeitsplätzen. Das neue Gesetz ändert Artikel L. 4121-3, Absatz 1 des Arbeitsgesetzbuches durch die Erweiterung der Risiken, die mit der Arbeitsorganisation verbunden sind.
Neben dem Arbeitgeber sollen folgende Akteure in die Risikobewertung einbezogen werden:
- der Betriebsrat (comité social et économique, CSE) und der Ausschuss für Gesundheit, Sicherheit und Arbeitsbedingungen des Betriebsrats, falls dieser eingerichtet wurde;
- der bzw. die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz im Betrieb verantwortliche(n) Arbeitnehmer, der/die vom Arbeitgeber nach Anhörung des CSE bestellt werden muss/müssen;
- der arbeitsmedizinische Dienst, dem der Arbeitgeber angehört.
Der Arbeitgeber kann sich auch an externe Personen und Organisationen wie die Renten- und Gesundheitskasse CARSAT[1] oder die nationale Agentur für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen ANACT[2] wenden.
Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung müssen in das DUERP aufgenommen werden, welches in jedem Unternehmen erstellt werden muss, das mindestens einen Arbeitnehmer beschäftigt. Das neue Gesetz fügt einen neuen Artikel L. 4121-3-1 in das Arbeitsgesetzbuch ein, der den Inhalt dieses Dokuments sowie die Modalitäten für seine Aktualisierung, Aufbewahrung und Bereitstellung festlegt.
Das DUERP muss mindestens einmal im Jahr und bei Änderungen im Unternehmen aktualisiert werden. In Unternehmen mit weniger als 11 Beschäftigten kann es jedoch weniger häufig aktualisiert werden, sofern ein gleichwertiges Schutzniveau für die Arbeitnehmer sichergestellt ist. In jüngster Zeit hat die Covid-19-Pandemie eine Aktualisierung des DUERP erforderlich gemacht, um den neuen Risiken Rechnung zu tragen, die insbesondere mit der Einführung von Telearbeit verbunden sind.
Das neue Gesetz sieht vor, dass der Arbeitgeber das DUERP bei jeder Aktualisierung an dem arbeitsmedizinischen Dienst, dem er angehört, übermittelt (und dieses nicht mehr lediglich zur Verfügung stellt). In Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten muss auch der Betriebsrat zu dem DUERP und dessen Aktualisierungen angehört werden.
Um die Rückverfolgbarkeit der Aussetzung von Risiken zu gewährleisten, muss der Arbeitgeber das DUERP in seinen verschiedenen Fassungen mindestens 40 Jahre lang aufbewahren und den Arbeitnehmern, ehemaligen Arbeitnehmern und allen Personen oder Stellen, die ein Interesse an der Einsichtnahme nachweisen können, zur Verfügung stellen. Derzeit muss das DUERP insbesondere dem Betriebsrat und der Arbeitsinspektion zur Verfügung gestellt werden.
Das DUERP und seine Aktualisierungen müssen künftig elektronisch in einem digitalen Portal abgelegt werden, welches von einer neuen Stelle eingerichtet und verwaltet wird, die von Arbeitgeberverbänden geführt wird, die auf nationaler und branchenebene repräsentativ sind. Diese Pflicht gilt ab dem 1. Juli 2023 für Unternehmen mit mindestens 150 Beschäftigten und spätestens ab dem 1. Juli 2024 für alle anderen Unternehmen.
Die Gefährdungsbeurteilung ist eine der notwendigen Vorbeugungsmaßnahmen, die der Arbeitgeber ergreifen muss, um gemäß Artikel L.4121-1 des Arbeitsgesetzbuches die Sicherheit und die körperliche und geistige Gesundheit seiner Arbeitnehmer zu gewährleisten.
In Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten sind die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung derzeit in ein Jahresprogramm zur Vorbeugung berufsbedingter Risiken und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu übertragen, das dem Betriebsrat vorzulegen ist. Das Gesetz stärkt die Anforderungen an den Inhalt dieses Programms, das nun:
- eine detaillierte Liste der im Folgejahr zu ergreifenden Maßnahmen mit Angabe der Bedingungen für ihre Durchführung, der Ergebnisindikatoren und der geschätzten Kosten für jede Maßnahme enthalten muss,
- die dem Unternehmen zur Verfügung stehenden Ressourcen benennen muss,
- einen Zeitplan für die Umsetzung enthalten muss.
Für Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten schreibt das neue Gesetz vor, dass der Arbeitgeber Maßnahmen zur Risikoprävention und zum Schutz der Arbeitnehmer festlegt, die im DUERP und seinen Aktualisierungen festzuschreiben sind und dem CSE vorgelegt werden müssen.
Der Arbeitgeber kann sich bei der Erstellung und Aktualisierung des DUERP und bei der Festlegung des Jahresprogramms oder der Präventions- und Schutzmaßnahmen von den in seiner Branche eingerichteten Organisationen und Einrichtungen unterstützen lassen.
Tipp von GGV: im Rahmen der allgemeinen Pflicht zur Gewährleistung der Sicherheit und des Schutzes der Gesundheit ist es notwendig, dass der Arbeitgeber die oben genannten Regeln beachtet.
Andernfalls kann der Arbeitgeber im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Zahlung von Schadenersatz verurteilt werden, weil er seiner Pflicht zur Gefährdungsbewertung und deren Umsetzung in ein aktualisiertes DUERP bzw. seiner allgemeinen Pflicht zur Gewährleistung der Sicherheit nicht nachgekommen ist.
Im Falle eines Arbeitsunfalls kann der Arbeitgeber mit dem DUERP belegen, dass er die erforderlichen Maßnahmen zur Reduzierung von Risiken ergriffen hat. Folglich kann das Fehlen eines aktualisierten DUERP als ein sogenannter nicht unentschuldbarer Fehler des Arbeitgebers gewertet werden, was dazu führt, dass die von der Sozialversicherung an das Opfer gezahlte Rente auf Kosten des Arbeitgebers erhöht wird und dass der Arbeitgeber zum Ersatz des gesamten Schadens verurteilt wird, den das Opfer erlitten hat und der nicht durch die Rente entschädigt wird.
Außerdem kann die Arbeitsinspektion bei einer Kontrolle eine Geldstrafe verhängen, wenn der Arbeitgeber kein aktualisiertes DUERP vorlegen kann.
[1] Caisse d’assurance retraite et de la santé au travail
[2] Agence nationale pour l’amélioration des conditions de travail
COMPLIANCE - Menschenrechte und Umweltbelange in Lieferketten – ein Überblick über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG
Am 11.06.2021 hat der Deutsche Bundestag den Gesetzentwurf über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten LkSG angenommen. Anschließend wurde das LkSG am 25.05.2021 durch den Bundesrat gebilligt. Es wird am 01.01.2023 in Kraft treten. Unternehmen, die von dem Gesetz erfasst sind, müssen die dort festgelegten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise beachten.
Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD hat sich 2018 in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz einzuführen, das Menschenrechte schützen und eine nachhaltige Produktion durch den Schutz der Umwelt sicherstellen soll. Die von dem Gesetz betroffenen Unternehmen sind verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken in ihrem eigenen Geschäftsbereich sowie in ihren Lieferketten zu ermitteln und zu bewerten, um ein angemessenes und wirksames Risikomanagementsystem zu entwickeln. Das Gesetz zielt darauf ab, die Verantwortung der Unternehmen zu erhöhen, insbesondere in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG).
Welche Unternehmen fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes?
Das Gesetz gilt für Unternehmen mit satzungsmäßigem Sitz oder Hauptniederlassung in Deutschland mit mindestens 3.000 Beschäftigten, ab dem 01.01.2024 mit mindestens 1.000 Beschäftigten. Bei den abschließenden Beratungen des Gesetzes wurde beschlossen, den Anwendungsbereich auf ausländische Unternehmen mit einer Niederlassung und einer entsprechenden Anzahl von Beschäftigten in Deutschland auszuweiten.
Welche unternehmerischen Sorgfaltspflichten müssen die betroffenen Unternehmen beachten?
Das Gesetz enthält eine Liste von menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten, die die betroffenen Unternehmen in ihren Lieferketten einhalten müssen. Ziel ist es, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu vermeiden oder zu minimieren oder bestehende Verletzungen von Menschenrechten oder umweltbezogenen Pflichten zu beenden. Die Sorgfaltspflichten umfassen sowohl direkte als auch indirekte Zulieferer der betroffenen Unternehmen. Indirekte Zulieferer unterliegen den Sorgfaltspflichten jedoch nur dann, wenn das Unternehmen, das in den Geltungsbereich des Gesetzes fällt, Kenntnis von einer möglichen Verletzung der Menschenrechte oder der umweltbezogenen Pflichten durch seine indirekten Zulieferer erhält.
Risikomanagement. – Die Unternehmen sind verpflichtet, ein angemessenes und wirksames Risikomanagementsystem einzurichten, um die in Artikel 3 Absatz 1 LkSG aufgelisteten Sorgfaltspflichten einzuhalten. Bei der Errichtung und Umsetzung des Risikomanagementsystems muss das Unternehmen die Interessen seiner Beschäftigten sowie derjenigen innerhalb seiner Lieferkette angemessen berücksichtigen. Daher müssen die Unternehmen in allen relevanten Geschäftsprozessen geeignete Präventionsmaßnahmen einführen. Darüber hinaus müssen sie sicherstellen, dass innerhalb ihres Unternehmens eine Person benannt wird, die für die Überwachung des Risikomanagements verantwortlich ist (z.B. ein Menschenrechtsbeauftragter).
Risikoanalyse. – Als Teil des Risikomanagements zielt die Risikoanalyse darauf ab, die menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken im eigenen Unternehmen sowie bei den direkten Zulieferern zu ermitteln. Die ermittelten Risiken müssen sodann analysiert sowie angemessen gewichtet und priorisiert werden. Das Gesetz legt fest, dass die Analyse einmal jährlich und anlassbezogen durchgeführt werden soll, wenn das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage in der Lieferkette rechnen muss (z.B. bei Einführung neuer Produkte, Projekte, Aufkommen neuer Risiken etc.).
Grundsatzerklärung. – Betroffene Unternehmen müssen eine Grundsatzerklärung über ihre Menschenrechtsstrategie abgeben. Das Gesetz legt fest, dass die Erklärung von der Unternehmensleitung abzugeben ist und nennt die Elemente, die die Menschenrechtsstrategie enthalten muss.
Beschwerdeverfahren. – Das Gesetz verpflichtet die betroffenen Unternehmen, ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzurichten. Ein solches System ermöglicht die frühzeitige Aufdeckung von Risiken oder bestehenden Verstößen in Bezug auf Menschenrechte oder Umweltbelange, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens im eigenen Betrieb oder bei Zulieferern verursacht werden. Dabei verlangt das Gesetz nicht, dass der Hinweisgeber persönlich betroffen sein muss.
Berichterstattung. – Betroffene Unternehmen sind verpflichtet, eine Berichterstattung über die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten im vorangegangenen Geschäftsjahr zu erstellen und diese innerhalb von vier Monaten nach Ende des Geschäftsjahres auf ihrer Website öffentlich zugänglich zu machen.
Welche Behörde ist für die Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes zuständig?
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) ist für die Kontrolle und Durchsetzung des Gesetzes zuständig. Das BAFA wird u.a. branchenübergreifende oder branchenspezifische Informationen, Hilfestellungen und Empfehlungen zur Einhaltung des Gesetzes veröffentlichen, Anordnungen und Maßnahmen treffen sowie Bußgelder verhängen.
Wer kann sonst noch tätig werden?
Betroffene können sich mit einer Beschwerde über einen möglichen Verstoß gegen das Gesetz an das BAFA wenden. Das BAFA muss daraufhin tätig werden und untersuchen, ob ein Verstoß vorliegt sowie auf dessen Beseitigung hinwirken.
Betroffene, die sich in ihren Rechten verletzt sehen, können auch Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften ermächtigen, in ihrem Namen vor deutschen Gerichten Klage zu erheben.
Darüber hinaus haben die Betriebsräte der betroffenen Unternehmen Anspruch auf Unterrichtung und Anhörung zu Fragen der Sorgfaltspflichten in Lieferketten.
Was sind die Sanktionen bei Nichteinhaltung?
Administrative Sanktionen. – Wenn Unternehmen, die unter das Gesetz fallen, ihren Sorgfaltspflichten nicht nachkommen, können Geldbußen von bis zu € 800.000 drohen. Bei Unternehmen mit einem durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatz von mehr als € 400 Mio., kann die Geldbuße bis zu 2 % des gesamten weltweiten Jahresumsatzes der Gruppe betragen. Der durchschnittliche Jahresumsatz basiert auf dem weltweiten Umsatz des Konzerns in den letzten drei Geschäftsjahren vor der Entscheidung des BAFA. Bei erheblichen Verstößen gegen das Gesetz, die mit Geldbußen von mindestens € 175.000 geahndet werden, können Unternehmen außerdem für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren von öffentlichen Ausschreibungen in Deutschland ausgeschlossen werden.
Zivilrechtliche Haftung. – Mit dem Gesetz wurde keine neue Rechtsgrundlage für eine zivilrechtliche Schadensersatzhaftung von Unternehmen im Falle einer Verletzung von Menschenrechten oder umweltbezogener Pflichten in der Lieferkette des Unternehmens geschaffen.
Fazit
Mit der Einführung des LkSG folgt Deutschland seinen europäischen Nachbarn Großbritannien – das bereits 2015 den Modern Slavery Act eingeführt hat – und Frankreich, das seit 2017 ein Sorgfaltspflichtengesetz, das sog. Loi de Vigilance, hat. Diese eingeführten Gesetze verstärken Sorgfaltspflichten von Unternehmen auf dem europäischen Kontinent. Dieser Gesetzgebungsprozess setzt sich auf europäischer Ebene fort, mit der Erarbeitung einer europäischen Richtlinie, die das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 10.03.2021 gefordert hat. Die Europäische Kommission wird demnächst einen Entwurf für eine Richtlinie vorlegen.
DATENSCHUTZ - Der französische Kassationsgerichtshof stellt klar, welche Handlungen eine Markenverletzung darstellen können
Durch zwei am 13. Oktober ergangene Urteile hat der französische Kassationsgerichthof (Kammer für Handelssachen) seine Rechtsprechung geändert. Bisher hatte das französische oberste Gericht Artikel L.713-2, L.713-3 und L.716-1 des französischen Urhebergesetzbuches (in der Fassung für die Zeit vor 2019) so ausgelegt, dass bereits der Antrag auf Eintragung einer gefälschten Marke eine Verletzungshandlung darstellte. Somit widersetzte sich der Kassationsgerichtshof allerdings der ständigen Rechtsprechung des EUGH, wonach ein Markeninhaber die Nutzung eines ähnlichen Zeichens durch einen Dritten nur verbieten kann, wenn diese Verwendung:
- im geschäftlichen Verkehr erfolgt;
- ohne die Zustimmung des Markeninhabers vorgenommen wird;
- für mit der eingetragenen Marke identischen oder ähnlichen Waren oder Dienstleistungen erfolgt; und
- wegen des Bestehens einer Verwechslungsgefahr für das Publikum die Hauptfunktion der Marke, nämlich den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, verletzt oder verletzen könnte.
Ausgehend von dem Grundsatz, dass “die Anmeldung eines Zeichens als Marke, selbst wenn ihr stattgegeben wird, keine Benutzung für Waren oder Dienstleistungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH darstellt, wenn mit der Vermarktung von Waren oder Dienstleistungen unter dem Zeichen nicht begonnen wird”, entschied der Kassationsgerichtshof daher, dass die Anmeldung noch keine Verletzungshandlung darstellt.
Tipp von GGV: Um ein Zeichen mit Unterscheidungskraft als Marke verwenden zu können, sollte jeder Anmeldung einer Marke eine Recherche, ob die geplante Marke keine älteren Rechte verletzt, vorausgehen. Auch wenn die Eintragung selbst einer ähnlichen Marke keine Verletzungshandlung darstellt, so stellt doch deren Benutzung im Geschäftsverkehr eine solche dar. Im Falle einer Verletzungshandlung kann der Inhaber der älteren Marke nicht nur Schadensersatz verlangen, sondern auch die Benutzung eines ähnlichen Zeichens durch einen Dritten untersagen.
DATENSCHUTZ - Schädigung von Cyberangriffsopfern und Grenzen der Entschädigung
Am 30. Juni 2021 hat das Berufungsgericht Versailles ein Urteil erlassen in einer Sache über die Rechtsfolgen eines Cyberangriffs. Das Opfer des Cyberangriffs hatte neben einem Anspruch auf Entschädigung des erlittenen finanziellen Schadens gegen den Angreifer auch einen Anspruch auf Schadensersatz wegen immateriellen Schadens geltend gemacht.
Berufungsgericht von Versailles, 9. Kammer, Urteil vom 30. Juni 2021
Das geschädigte Unternehmen argumentierte, dass es im Dezember eine anonyme E-Mail erhalten habe (die in Wirklichkeit aber von einem ehemaligen Mitarbeiter des Unternehmens stammte), die eine Aufforderung zur Zahlung eines Lösegeldes in Höhe von einer Million Euro auf verschiedene Konten enthielt. Der Erpresser, der im Besitz vertraulicher Unternehmensdaten (Bankkonten, Kontaktlisten, Dokumente, usw.) war, kündigte in seiner E-Mail an, dass er, wenn die geforderte Zahlung nicht innerhalb von 15 Tagen erfolgt, E-Mails an die Partner, Mitarbeiter und Konkurrenten des Unternehmens senden werde, in denen er alle vertraulichen Daten auf die er Zugriff hat, bekannt gibt.
In diesem Zusammenhang machte das Unternehmen geltend, dass es von der Datenschutzverletzung und der drohenden Offenlegung besonders sensibler und vertraulicher Informationen besonders betroffen sei.
Das Berufungsgericht Versailles wies die Schadensersatzklage des Unternehmens mit der Begründung ab, dass juristische Personen nur Schadensersatz für Image- und Rufschädigung erhalten können. Eine juristische Person könnte hingegen keinen Anspruch auf einen Affektionsschaden geltend machen, da Stress und Angst Attribute sind, die natürlichen Personen eigen sind.
DATENSCHUTZ - Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL veröffentlicht einen Leitfaden zur Selbsteinschätzung der Reife des Datenschutzmanagements
Die französische Datenschutzaufsichtsbehörde CNIL hat vor kurzem einen Leitfaden zur Selbsteinschätzung der Reife des Datenschutzmanagements veröffentlicht.
Dieser Leitfaden soll Unternehmen und Organisationen die Möglichkeit bieten, die verschiedenen Maßnahmen zum Datenschutzmanagement zu bewerten, die sie seit 2018 (oder früher) umsetzen müssen.
Ausgehend von acht typischen Datenschutztätigkeiten gibt die CNIL für jede von ihnen an, wie der Reifegrad zu bewerten ist, der von einer informellen Praxis (Stufe 1) bis zu einem kontinuierlich optimierten Prozess (Stufe 5), über das Vorhandensein einer wiederholbaren und überwachten Praxis (Stufe 2) und eines kontrollierten (Stufe 4) oder definierten Prozesses (Stufe 3) reichen kann.
Unter den Maßnahmen zum Datenschutzmanagement nennt die CNIL insbesondere die Sensibilisierung der Mitarbeiter, die Ausarbeitung und Aktualisierung interner Politik und Verfahren sowie der Vertragsunterlagen, die Erstellung und Aktualisierung eines Inventars der Datenverarbeitung, die Umsetzung einer Politik zum Umgang mit Datenlecks oder einer Politik zur Datensicherheit.
Tipp von GGV: Audits sind besonders wichtig, um den Reifegrad einer Organisation beim Umgang mit personenbezogenen Daten zu beurteilen. Sie können von einem der Anwälte der Kanzlei durchgeführt werden, der in Abstimmung mit dem Datenschutzbeauftragten (falls einer beauftragt wurde) arbeiten kann. Darüber hinaus kann der Anwalt beurteilen, inwieweit die Daten rechtmäßig verarbeitet werden.
CORPORATE - Neue Bestimmungen für ausländische Investitionen in Frankreich
Durch ein Dekret vom 10. September 2021 wurden die Liste der sektorspezifischen Branchen, für die ausländische Investitionen einer vorherigen Zustimmung bedürfen, sowie die Liste der erforderlichen Unterlagen ergänzt: Forschung- und Entwicklungstätigkeiten sowie Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energien gehören nunmehr zu den kritischen Wirtschaftszweigen, die einer vorherigen Zustimmung durch das französische Wirtschaftsministerium bedürfen. Außerdem ist der Zustimmungsantrag um sechs weitere Voraussetzungen ergänzt worden.
In Frankreich sind ausländische Investitionen, in Form von Beteiligungen an einem Unternehmen oder an einem Geschäftszweig, grundsätzlich uneingeschränkt zulässig. Von diesem Grundsatz sieht das französische Recht jedoch einige Ausnahmen vor, die der Regierung ein Ermessen einräumen, bestimmte Wirtschaftssektoren als kritisch einzustufen. Ausländische Investitionen in diesen Sektoren sind damit von einer vorherigen Zustimmung abhängig, um die “Gewährleistung der Landesinteressen” sicher zu stellen. Konkret sind davon kritische Tätigkeiten erfasst, die geeignet sind, “die öffentliche Ordnung, die öffentliche Sicherheit oder die Landesinteressen zur Verteidigung beeinträchtigen zu können”, sowie Tätigkeiten, “die der Erforschung, Herstellung oder dem Vertrieb von Waffen, Munition, Sprengstoff oder sonstigen explosiven Stoffen dienen”.
Die betroffenen Tätigkeiten werden in einer langen Liste gemäß Artikel R. 151-3 des französischen Währungs- und Finanzgesetzes aufgeführt und umfassen unter anderem “Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten von kritischen Technologien, die durch eine Verordnung des französischen Wirtschaftsministers festgelegt werden”. Die Verordnung vom 31. Dezember 2019 umfasste wiederum eine detaillierte Liste mit ursprünglich sieben Technologien, insbesondere aus den Bereichen Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und Robotik.
Die französische Regierung erweitert regelmäßig diese Liste: Nach der Aufnahme von Biotechnologien durch die Verordnung vom 27. April 2020 sind es nunmehr die “Technologien zur Erzeugung erneuerbarer Energien”, die durch die Verordnung vom 10. September 2021 zu der Liste über Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten hinzugefügt wurden und somit bei Investitionen in diesem Bereich eine vorherige Zustimmung der Regierung bedürfen.
Die Verordnung vom 10. September 2021 erweitert zudem die mit dem Zulassungsantrag einzureichenden Unterlagen. Folgendes muss nunmehr dem Antrag zusätzlich beigefügt werden:
- das auf der Website der Europäischen Kommission veröffentlichte Formular zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EU) 2019/452 vom 19. März 2019 zur Überprüfung von Unternehmen in der Kontrollkette des Investors, die aus keinem Mitgliedstaate der EU stammen;
- Bezüglich des Zielunternehmens ist eine Liste jeweils mit Angabe des Marktanteils in Frankreich der französischen oder in der Europäischen Union tätigen Wettbewerber, anzufertigen, sowie eine Liste nach Art und Dauer der in Besitz befindlichen Nutzungsrechte über geistiges Eigentum (Patente, Marken, Lizenzen etc.);
- Bezüglich der geplanten Investition: Angaben zu der “Gesamtstrategie des Investors in Frankreich und in der Europäischen Union (insbesondere hinsichtlich der Art der getätigten Investitionen, Beispiele hierfür, Dauer der Investitionen)” sowie zu der “Strategie des Investors in dem/den von dem Investment betroffenen Wirtschaftszweig(en) in Frankreich und in der Europäischen Union (insbesondere hinsichtlich der Art der getätigten Investitionen, Beispiele hierfür, Dauer der Investitionen)”;
- Der Zulassungsantrag muss Angaben zur Identität und dem Personenstand des rechtlichen Vertreters des Anlegers oder der Zielgesellschaft enthalten sowie alle Unterlagen, die geeignet sind, diese Befugnis nachzuweisen.
Tipp von GGV: Jeder Investor, der in Frankreich ein Investment plant, sollte daher sorgfältig prüfen, ob die Tätigkeit des Zielunternehmens in einen der “kritischen” Sektoren fällt, für das eine vorherige Zustimmung des französischen Wirtschaftsministeriums erforderlich ist. Allerding sei angemerkt, dass sich die Liste der jeweiligen Sektoren sowie die einzureichenden Unterlagen sich regelmäßig ändern.
CORPORATE - Die Erweiterung der Insolvenzmasse auf das Vermögen der Muttergesellschaft
Das Berufungsgericht von Paris hat sich in seinem Urteil vom 7. September 2021 Nr. 20/18226 erneut mit der Thematik einer Erweiterung der Insolvenzmasse wegen Vermischung von Vermögensmassen auseinandersetzen müssen. In einem Insolvenzverfahren kann die Haftungsmasse einer Gesellschaft auf das Vermögen anderer Gesellschaften erweitert werden, wenn faktisch lediglich ein Unternehmen besteht. Dies wird insbesondere bei einer engen finanziellen Verbindung der Gesellschaften untereinander bzw. bei ungewöhnlichen Geldflüssen zwischen den Unternehmen angenommen.
Grundsätzlich gilt, dass jede Rechtspersönlichkeit in der Insolvenz mit ihrem Vermögen selbst vollständig haftet. Die Insolvenzmasse einer Gesellschaft ist daher grundsätzlich auf das eigene Vermögen beschränkt, selbst wenn die Gesellschaft Teil einer Unternehmensgruppe ist, die aus mehreren Tochtergesellschaften besteht.
Die französische Rechtsprechung hat von diesem Grundsatz zwei Ausnahmen entwickelt: Einerseits kann mithilfe der Rechtsfigur der Vermischung von Vermögensmassen die Insolvenzmasse eines Unternehmens auch auf das Vermögen anderer Unternehmen erweitert werden. Andererseits wird dies ebenso durch die Rechtsfigur der Scheingesellschaft erreicht, bei der ein Unternehmen den Zweck verfolgt, die Geschäftsaktivität einer Gesellschaft zu übernehmen für die das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. In beiden Fällen haften durch die Erweiterung der Insolvenzmasse sodann beide Gesellschaften gemeinsam gegenüber den Insolvenzgläubigern der insolventen Gesellschaft.
Das Berufungsurteil beruht auf folgendem Sachverhalt:
Die Gesellschaft französischen Rechts mit beschränkter Haftung (SARL) „Memo“ ist zu 100 % die Muttergesellschaft der drei Gesellschaften: „108 Café“, „librairie des orgues“ sowie „Le 108“, die hauptsächlich in dem Gastronomiebereich tätig waren und alle denselben Gesellschaftssitz hatten.
Für die Gesellschaft „108 Café“ wurde jedoch das Insolvenzverfahren eröffnet und sodann die Insolvenzmasse mit Gerichtsbeschluss auf das Vermögen der übrigen Gesellschaften der Unternehmensgruppe erweitert. Der Insolvenzverwalter begründete dies jedoch nicht mit der Scheinunabhängigkeit, sondern vielmehr mit der Vermischung der Vermögensmassen. Die betroffenen Gesellschaften legten gegen die Entscheidung der Erweiterung der Insolvenzmasse Berufung ein.
Die Berufung wurde im vorliegenden Fall als unbegründet zurückgewiesen, da zu Recht eine Vermischung von Vermögensmassen der Gesellschaften angenommen wurde. Voraussetzung hierfür ist eine enge finanzielle Verbindung zwischen den Gesellschaften untereinander bzw. ungewöhnliche Transaktionen zwischen den Unternehmen. Dies liegt insbesondere dann vor, wenn die finanziellen Verbindungen für gewöhnlich unvereinbar mit den gegenseitigen Verpflichtungen der Gesellschaften sind.
Beispielsweise wird dies bei Gesellschaften mit jeweils derselben Geschäftsführung und demselben Gesellschaftssitz bejaht, sofern eine der Gesellschaften der anderen unentgeltlich Mittel zur Verfügung stellt, ohne dass hierfür eine Gegenleistung vereinbart wurde. Gleiches gilt übrigens, wenn Zahlungen an Dritte je nach finanzieller Lage der einzelnen Gesellschaft entweder von den Geschäftskonten der einen oder der anderen Gesellschaft erfolgt.
Im Gegensatz dazu besteht noch keine Vermischung der Vermögensmasse, wenn Zahlungen zwischen Unternehmen desselben Konzerns aufgrund einer Cash-Management-Vereinbarung vorgenommen werden. Diese kann beispielsweise vorsehen, dass Liquiditätsüberschüsse an die anderen Konzernunternehmen durch Kontokorrentkredite fließen, wenn hierfür als Gegenleistung Zinsen erhoben werden. Die Kontokorrentkredite dürfen allerdings die finanzielle Leistungsfähigkeit der ausgeholfenen Konzernunternehmen wiederum nicht überlasten.
Im vorliegenden Fall wiesen die Kontoauszüge der insolventen Gesellschaft „108 Café“ wiederkehrende Zahlungen an die Muttergesellschaft aus, insbesondere Daueraufträge und hohe Einmalzahlungen. Diese Zahlungen rechtfertigte die Gesellschaft mit einer Cash Management-Vereinbarung, die jedoch in ihrem Vertragsdokument kein Datum aufwies. Es fehlten zudem bei einigen Leerstellen noch Ergänzungen, wie beispielsweise der Höchstbetrag für die zu gewährenden Vorschüssen, sowie der Zinssatz für die verliehenen Geldmittel. Außerdem unterzeichnete derselbe Geschäftsführer für jede der Vertragsparteien die Vereinbarung. Anhaltspunkte, die eine Existenz dieser Vereinbarung zum Zeitpunkt der Zahlungen glaubhaft machen könnten, lagen nicht vor. Schließlich stellte sich bei einer Steuerprüfung der insolventen Gesellschaft „108 Café“ heraus, dass diese gar keine Bücher führt.
Das Berufungsgericht kam deshalb zu der Annahme, dass die Vereinbarung vielmehr nachträglich als Rechtfertigung der Zahlungen zwischen den Unternehmen erstellt worden sein musste, um eine Erweiterung der Insolvenzmasse zu verhindern und die Haftung der übrigen Unternehmen auszuschließen.
Das Urteil macht deutlich, dass bei Cash Management-Vereinbarungen für konzerninterne Zahlungsströme besondere Vorsicht anzuwenden ist, um eine globale Haftung der Konzernunternehmen zu vermeiden.
CORPORATE - Kurzmeldung - Einreichung des Jahresabschlusses
Ebenso wie die Geschäftsführer von Gesellschaften haften seit dem 26. August 2021 auch die Geschäftsführer von Vereinen, deren Einnahmen durch Spenden und/oder Subventionen während des Geschäftsjahres eine Gesamtsumme in Höhe von 153.000 Euro erreicht haben, auf strafrechtlicher Ebene als auch persönlich, wenn sie den Jahresabschluss nicht rechtzeitig einreichen.
Gemäß Artikel L. 612-4 und L. 242-8 des französischen Handelsgesetzbuchs (Code de commerce) kann den Geschäftsführern nunmehr ein Bußgeld in Höhe von bis zu 9.000 Euro auferlegt werden.
FINANZWESEN Die wesentlichen Neuerungen der Reform des Sicherheitsrechts für ausländische Unternehmen
Mit der Reform der gesetzlichen Regelungen zu den Sicherheiten durch die Verordnung vom 15.09.2021 werden veraltete Sicherheiten abgeschafft und die Regelung für bestimmte Sicherheiten vereinfacht und effizienter gestaltet. Einige Maßnahmen sind für ausländische Unternehmen besonders interessant.
Die Verordnung Nr. 2021-1192 vom 15.09.2021 reformiert die gesetzlichen Regelungen über Sicherheiten. Die meisten der Bestimmungen werden am 01.01.2022 in Kraft treten. Hiermit geben wir einen Überblick der interessantesten Maßnahmen für ausländische Unternehmen.
Elektronischer Abschluss von Sicherheiten
Ab dem 01.01.2022 können nicht notariell beurkundete Verträge, die sich auf eine persönliche oder dingliche Sicherheit beziehen, auf elektronischem Wege abgeschlossen werden.
Vereinfachung der Vorschriften für Bürgschaften
Bürgschaften von natürlichen Personen werden manchmal von Geschäftsführern genutzt, die als Bürgen für ihr Unternehmen eintreten. Für solche Fälle wurden einige Bedingungen geändert, wie z.B. die Vorschriften über den vom Bürgen auf der Bürgschaftsurkunde angebrachten Vermerk oder die Warnpflicht des professionellen Gläubigers, die nun für jede natürliche Person gilt, die bürgt, unabhängig davon, ob sie kundig ist oder nicht.
Anpassungen der Verpfändung von Forderungen
Die Verpfändung von Forderungen stellt die Zuweisung einer oder mehrerer Forderungen zu einer Sicherheit dar. Ab dem 01.01.2022 hat der Verpfändungsgläubiger ein Zurückbehaltungsrecht an der verpfändeten Forderung, nachdem er dem Schuldner die Verpfändung mitgeteilt hat. Dieses Zurückbehaltungsrecht wird es dem verpfändeten Gläubiger ermöglichen, im Gegensatz zu den anderen Gläubigern die Zahlung des Gläubigers zu erwirken.
Erweiterung der Abtretung von Forderungen
Die Abtretung von Forderungen, die im Bereich der Treuhandschaft oder der Abtretung von gewerblichen Forderungen durch den sogenannten „Bordereau Dailly“ erlaubt ist, wird auf alle Arten von Forderungen und alle Arten von Gläubigern ausgeweitet. Bisher war die Abtretung per Bordereau Dailly nur möglich, wenn es sich bei dem Gläubiger um ein Finanzinstitut oder einen alternativen Finanzierungsfonds handelte, und nur für gewerbliche Forderungen. Genau wie bei der Dailly-Abtretung erlischt das Eigentum an der Forderung, wenn die gesicherte Verpflichtung erfüllt wird.
Ein einheitliches Register für Mobiliarsicherheiten
Ein neues Register für Mobiliarsicherheiten, das sämtliche Mobiliarsicherheiten umfasst, soll per Dekret geschaffen werden. Im Gegensatz zur bisherigen Eintragung von Pfandrechten, können auch Forderungen ausländischer Unternehmen dort eingetragen werden. Die Nutzung dieses einheitlichen Registers für bewegliche Sicherheiten wird spätestens am 01.01.2023 in Kraft treten.
Tipp von GGV: Die Reform des Sicherheitsrechts wird unter anderem damit begründet, dass der Abschluss von Sicherheiten unter Verwendung des französischen Rechts gefördert wird. Für ausländische Unternehmen wird der Abschluss von Sicherheiten dadurch auf jeden Fall erleichtert.